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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Sonnenuntergang sehen wollen, um die Ausgestaltung des Steinbodens im Westchor mit ihr zu besprechen. »Hab Dank für den Aufguss, liebe Erna«, sagte sie und übergab der Freundin den leeren Becher. Dann drückte sie Erna noch einmal innig, griff nach der Talglampe und machte sich auf den Weg.
    »Wenn du Nachschub möchtest, wir stehen noch eine Weile hier und vor dem Unterstand der Steinmetze«, rief Erna ihr hinterher und winkte dabei mit dem Becher. »Ab Mitternacht übernimmt Arnold die Versorgung hier drinnen.«
    »Grüß ihn von mir!«, rief Uta zurück und war sogleich durch das Portal der Südwand verschwunden.
    Ehrfurchtsvoll glitt Ernas Blick die Mittelwand des Langhauses hinauf, die von einfachen Pfeilern getragen wurde. Was für grazil gerundete Fenster, dachte sie, und wie schön, dass das Leuchten in die Augen der Freundin zurückgekehrt war.
    »Meister Joachim?«, rief Uta in die Dämmerung hinein und trat aus der Kathedrale, als ihr vom rauhen Wind das Talglicht ausgeblasen wurde. Das Wetter schien mit jedem Tag unwirtlicher zu werden. Der jüngste Schnee war pünktlich zum Tag von Christi Geburt gefallen. Die beiden Wachen, die Uta nach wie vor unbeirrt bei jedem ihrer Gänge außerhalb des Wohngebäudes folgten, stießen in diesem Moment zu ihr.
    »Meister Falk?«, fragte sie und blickte sich suchend um. Mit ihm musste sie ebenfalls noch heute über die Aufstellung eines neuen Kranes zur Anhebung der Glocken sprechen.
    »Meister Joachim kniet vor der Westwand, Gräfin.«
    Uta hatte Michels Stimme erkannt und hielt daraufhin auf die Westwand zu. Der abendliche Wind schnitt ihr beißend ins Gesicht.
    »Meister Joachim, endlich«, begrüßte sie den Mann, der nun vor der Westmauer der Kathedrale aufsprang und drei seiner knienden Gesellen mit hochzog. »Ihr seht blass aus«, stellte sie fest, nachdem sie den Span eines der Bewaffneten gegriffen und damit vor den Maurermeister getreten war. »Macht Euch die Kälte zu schaffen?«
    Der Meister schüttelte den Kopf. Er trug einen zerschlissenen Umhang, der mit Fellen verstärkt war.
    »Wollen wir in den Boden des Westchores in der kurzen Zeit, die uns nach dessen Fertigstellung noch bleibt, wirklich ein Muster legen?«, kam sie ohne Umschweife auf den Grund ihres Hierseins zu sprechen.
    Meister Joachim bedeutete seinen Gesellen, sich anderen Arbeiten zuzuwenden, und schwieg. Dann gab er mit einem Schritt nach links den Blick auf die Wand hinter sich frei und wies ohne ein Wort auf die Stelle an der Außenwand des Westchores, die er eben noch inspiziert hatte.
    Uta leuchtete das Mauerstück knapp über dem Boden an.
    »Wie konnte …!«, rief sie im nächsten Augenblick aus, hielt dann aber inne.
    Betreten senkte der Maurermeister den Kopf.
    »Wieso reißt das Mauerwerk? Was ist passiert, Meister?« Uta glitt mit den Fingern über den Riss, der offensichtlich unterhalb des Erdbodens begann und ihr bis zur Hüfte reichte.
    »Ich kann es noch nicht sagen«, beschied der Meister betroffen.
    »Ist das die einzige Stelle?« Ohne seine Antwort abzuwarten, leuchtete sie die Westwand in Richtung der beiden Türme weiter ab.
    »Auch das weiß ich noch nicht. Wir haben den Riss eben erst entdeckt.«
    Uta schritt an der Westmauer entlang. Einige Arbeiter traten neugierig heran und beobachteten ihr Tun.
    »Hier ist noch einer, mindestens vier Fuß lang vom Boden aus gerechnet!«, rief sie und lief danach aufgeregt die Wand vom nördlichen bis zum südlichen Westturm entlang. »Und noch einer«, setzte sie nach. »Lasst Meister Falk kommen«, befahl sie einem der inzwischen zu Dutzenden hinzugekommenen Handwerker.
    »Wir müssen sämtliche Mauern abgehen«, sagte Uta beunruhigt. »Ihr, Meister, umgeht die Kathedrale von hier aus nach Süden. Und vergesst die inneren Wände nicht. Ich umgehe die Kathedrale im Norden. Am Ostchor treffen wir uns wieder.«
    Meister Joachim nickte. »Wir brauchen mehr Licht!«
    Ohne zu zögern, ergriffen die umstehenden Handwerker Kienspäne, entzündeten sie und teilten sich in zwei Gruppen um die Burgherrin und den Maurermeister auf.
    Dann schritten sie prüfend die Kathedralwände ab. Zuerst entlang der Türme bis hin zum Querhaus. Uta hätte am liebsten die Augen geschlossen, um das Unheil nicht sehen zu müssen, doch ihr Pflichtbewusstsein zwang sie dazu, ganz genau hinzuschauen.
    Zu Mitternacht trafen sich die beiden Gruppen am Ostchor.
    »Die Risse sind nur an der äußeren Westwand«, berichtete Meister Joachim im Kreis seiner

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