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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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kann«, murmelte sie die Worte aus Hermanns Bautagebuch vor sich hin, und ihr Atem bildete dabei Kältewölkchen in der Luft. Uta fuhr mit der Hand über die Mauer. Wie rauh sich doch die Steine im Vergleich zu Hermanns Haut im Gesicht und an den Armen anfühlten, ging es ihr durch den Kopf. Und wie unvergleichlich zart und weich seine Hände doch über ihre Wangen gestrichen hatten, obwohl sie über unzählige Kämpfe hinweg das Schwert geführt hatten. Heiß hatte sie sein Atem damals nach ihrem Kuss gestreift … daran erinnerte sie sich noch so genau, als wäre es gestern gewesen.
    »Gräfin, das Holz ist erst vor zwei Wochen bei uns eingetroffen«, unterbrach sie der Zimmerermeister in ihren Gedanken.
    »Aber nun kommen die Arbeiten gut voran.«
    Uta ließ das Talglicht sinken und schaute sich im Halbdunkel des Glockenturmes um. Für sie grenzte es bereits an ein Wunder, dass die Osttürme überhaupt so schnell hatten hochgezogen werden können. Die Westtürme hingegen waren lediglich bis zur Hälfte gemauert, und der Westchor besaß noch kein Dach. »Die Glocken für die Türme werden gerade gegossen, Meister. Schafft Ihr es, sie bis zur Weihe einzuhängen?«
    Der Mann rieb sich das Kinn, meinte dann aber im nächsten Moment mit einem Blick in die erwartungsvollen Augen der Burgherrin: »Ich denke schon.«
    »Sehr gut, ich vertraue auf Euch und Eure Männer. Lasst es mich rechtzeitig wissen, wenn Probleme auftauchen, damit wir sie gemeinsam beheben können. Wie dürfen den geplanten Fertigstellungstermin auf keinen Fall aufs Spiel setzen.« Vor zwei Tagen erst hatte Kaiserin Gisela sie über einen Boten aus dem fernen Italien wissen lassen, dass sie und der Kaiser gedächten, mit großem Gefolge zur Weihe anzureisen. Nach dem überraschenden Bruch mit dem Mailänder Erzbischof Aribert wäre Italien nun wieder befriedet und der aufständische Vasallenadel durch Zugeständnisse beruhigt worden. Für die Weihefeierlichkeiten innerhalb der Burgmauern sei mit vierhundert Gästen zu rechnen. Weitere Hundertschaften von Kämpfern würden auf den Wiesen zu Füßen der Burg unterkommen, benötigten aber ebenfalls Verpflegung. Der Bote der Kaiserin berichtete weiterhin von der Vermählung des jungen Heinrich mit der dänischen Königstochter Gunhild, die dem Reich erst vor wenigen Tagen eine Tochter geboren hatte – was Uta unmittelbar daran denken ließ, dass sie Ekkehard noch immer nicht den ersehnten Erben geschenkt hatte.
    »Wir schaffen das, Gräfin!«, versuchte Zimmerermeister Jan, Uta aufzumuntern, nachdem er bemerkt hatte, wie ihr erwartungsvoller Blick in einen sorgenvollen übergegangen war.
    »Uns bleiben noch ganze sechs Mondumläufe und die Türen, eine zweiflügelige für den Eingang an der südlichen Querhauswand und weitere, einfachere für den Zutritt zu den Türmen und zur Krypta, stehen schon zum Einbau bereit. Das Chorgestühl für den Ostchor habe ich mit Matthias’ Unterstützung ebenfalls bereits fertigstellen können.«
    »Ich danke Euch, Meister. Auch dafür, dass Ihr gleich nach dem Hochfest wieder die Arbeit aufgenommen habt«, entgegnete Uta. Die Messe zur Geburt des Herrn war erst gestern gefeiert worden. »Und setzt weiterhin einen Fuß achtsam vor den anderen. Die harten Winterböden, Ihr wisst, was ich meine.«
    »So ein Missgeschick wird mir nicht noch einmal passieren!«, entgegnete Meister Jan und klopfte sich gegen das Bein, an dem er sich vor knapp drei Jahren mit einem Sägeblatt eine Wunde quer über den Oberschenkel bis tief auf den Knochen gerissen hatte.
    »Gebt mir Bescheid, sofern Ihr zusätzliche Arbeitskräfte benötigt, die Euch hier oben unterstützen.« Mit diesen Worten raffte Uta ihr Kleid samt Umhang und stieg die Treppen des Ostturms wieder hinab.
    In der Vierung wurde sie von Erna empfangen. »Ich dachte du kommst nie mehr herunter«, sagte diese und reichte Uta einen Becher mit dampfendem Kräuteraufguss.
    Uta stellte das Talglicht zu ihren Füßen ab und trank einen großen Schluck. »Danke, du bist die Beste.«
    Erna, die in den vergangenen drei Jahren etwas fülliger geworden war, aber dadurch nicht weniger ansehnlich wirkte, lächelte. »Ich wollte dir den Becher endlich wieder einmal persönlich in die Hand drücken. Außerdem tut es gut, wenn ich mir bei dieser Kälte die Füße ein wenig vertrete. Jetzt, wo ich tatkräftige Unterstützung habe.« Sie deutete ins südliche Seitenschiff, wo Luise und Selmina, die inzwischen zehn Sommer zählten, warme

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