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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Getränke an die Handwerker ausschenkten.
    »Schade, dass das alles hier bald vorbei sein wird«, fügte Erna wehmütig hinzu.
    »Es ist schade, dass ich seit der Übernahme der Arbeiten nur noch so wenig Zeit für die Menschen um mich herum gefunden habe«, entgegnete Uta. »Ich kann mich noch erinnern, wie die beiden zu krabbeln begonnen haben, ihre ersten Schritte machten und mit Katrina zusammen Spaziergänge unternahmen«, sie deutete mit dem Kopf in Richtung der Zwillinge, bei denen sich mehr als zwei Dutzend Handwerker in Form von verdünntem Bier oder Kräuteraufguss ihre abendliche Ration Wärme abholten.
    »Selmina ist ruhiger geworden, Luise aber dafür umso frecher. Auch wenn sie sich wie ein Ei dem anderen gleichen, sind sie doch verschieden.« Erna blickte stolz zu ihren Töchtern hinüber, die das rote Haar zu Zöpfen geflochten trugen. Während Luise gerade dabei war, mit Michel zu scherzen, übergab ihm Selmina schüchtern einen Becher. »Wie schön, dass Katrina dir noch immer treu ergeben ist. Und du hast ihr wirklich erlaubt, das Werben des Grafen von Eichenau abzulehnen?«
    »Sie soll niemanden an ihrer Seite haben, dem sie nicht zugetan ist.« Nachdenklich glitt Utas Blick in die Ferne. Noch immer schmerzte die Erinnerung an Hermann unvermindert stark. »Katrina bat mich, mir auch weiterhin zur Seite stehen zu dürfen«, überging sie den darauffolgenden Gedanken an den Gatten, der, seitdem er vor mehr als zwei Jahren nach Augsburg aufgebrochen war, keine Nachricht mehr geschickt hatte. »Sie hat bereits begonnen, mir bei der Organisation der Nahrungsvorräte und Unterkünfte für die Weihe zu helfen.«
    »Sie kann jetzt auch rechnen?«, fragte Erna verwundert.
    Uta nickte.
    »Wenn Luise und Selmina davon erfahren, werden sie Katrina erst recht nicht mehr loslassen. Luises Temperament ist manchmal schwer zu bändigen.« Scherzhaft warnend hob Erna den Finger. »Wir sollten es ihnen erst nach der Weihe erzählen, sonst könnte es zu Verzögerungen bei der Nahrungsbeschaffung für den kaiserlichen Hof kommen.«
    Uta schmunzelte, war dann aber verblüfft. »Die Mädchen interessieren sich für das Schreiben und Rechnen?«
    »Du weißt also nicht, dass Katrina ihnen schon gezeigt hat, wie sie einen Federkiel halten müssen und wie die wichtigsten Buchstaben aussehen?«
    Gab es denn Buchstaben, die wichtiger waren als andere? Uta drückte die Freundin an sich. »Ich vermisse euch alle, aber bis zur Weihe sind es nur noch sechs Mondumläufe. Danach habe ich wieder mehr Zeit für euch.«
    »Das Blau ist himmlisch!«, schwärmte Erna, löste sich aus der Umarmung und lenkte Utas Blick auf die Altarwand im Ostchor.
    Als diese den azurblauen Himmel mit feinsten goldenen Sternen erblickte, vergaß sie vor Faszination die vielen noch anstehenden Aufgaben. Zwar war ihr zugetragen worden, dass die Malerei, die nahezu die gesamte Altarwand einnahm, bereits fertiggestellt worden war, aber sie war noch nicht dazu gekommen, sie abzunehmen. Nun sah sie das Werk aus Hermanns Bautagebuch vor sich und war entzückt. Die Malerei ließ die Schönheit von Gottes Reich erahnen und würde dafür sorgen, dass die Menschen, die hierherkamen, sich anstrengen würden, einst dorthinzugelangen. Die beiden Himmelswände in Gernrode und Naumburg ließen Uta unwillkürlich auch an Alwine denken. Ob sie im fernen Italien inzwischen ihre Familie gefunden hatte? Wie schön es doch wäre, sie einmal wieder in die Arme schließen zu können. Und wie es wohl Adriana mit ihrem bulgarischen Grafen fern des Kaiserhofes erging?
    »Und schau dir das an!« Erna zeigte auf die Mauern des Langhauses und auf die Gewölbe der Seitenschiffe. »Oder dort! Alles wächst so schnell um uns herum!« Die Wände des Westchores waren hochgezogen und hatten jene innere Wölbung erhalten, von der ihr Hermann einst in Vercelli erzählt hatte.
    »Ich hoffe, wir schaffen alles pünktlich zur Weihe. Zwei halbe Türme und den Westchor müssen wir noch vervollständigen. Er hat noch kein Dach. Dann noch Hunderte von Feinheiten schaffen und die Glocken einhängen«, sagte Uta und nickte den Handwerkern zu, die neben sie getreten waren, um das Altarbild nun ebenfalls zu bestaunen.
    »Das schaffen wir!«, bestätigten die und tranken genüsslich die warme Flüssigkeit in ihren Bechern.
    »Maurermeister Joachim!« Wie vom Blitz getroffen schlug sich Uta gegen die Stirn. Den Meister hatte sie über dem Gespräch mit Erna ganz vergessen. Der hatte sie noch vor

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