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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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das Wunder, nach dem sie verlangt hatte! Uta lächelte und folgte der nicht enden wollenden Menschenschar auf die Baustelle.
    Mit einer eleganten Handbewegung legte sich Notburga ihr hüftlanges Haar vom Rücken über die Schultern. Die Aussicht, dem kaiserlichen Heerführer beizuwohnen, trieb sie ungeduldig auf die Gästekemenaten des Wohngebäudes zu. Doch ungeduldig schien dieser Tage ein jeder auf dem Burgberg zu sein. Das gesamte Reich versammelte sich in Naumburg: das Kaiserpaar, die Hofkanzlei, der Hofstaat, unzählige Mitren- und Haubenträger. Notburga meinte sogar, dass sich ein Hauch kaiserlichen Glanzes in jeder noch so kleinen Kammer und engen Ritze auf dem Burgberg, einschließlich ihres Klosters, ausgebreitet hatte. Sie war mehr als froh, der allgemeinen Geschäftigkeit der Chorproben, Kelterei und Wundversorgung entkommen zu sein, die von der tatkräftigen Schwester Margit nur noch verstärkt wurde.
    »Pass doch auf, du Dummchen, mein Haar!«, fuhr sie eine junge Magd an, die an ihr vorbeieilte und sie dabei mit einem mit Hühnerkeulen beladenen Tafelbrett an der Schulter streifte. Sofort überprüfte Notburga, ob ihr Haar und Gewand unbeschmutzt geblieben waren, und stellte erleichtert fest, dass weder das eine noch das andere Schaden genommen hatte. Einem jungen Küchenhelfer, der zwei volle Weinkrüge durch den Gang balancierte, stieß sie in den Rücken. »Bursche«, belehrte sie ihn, »wenn du in diesem Tempo weitergehst, wird der Wein nie die Becher der edlen Gäste erreichen. Spute dich endlich!«
    »Sehr wohl, verehrte Äbtissin«, entgegnete der Junge, der kaum älter als acht Jahre war. Verängstigt beschleunigte er seinen Gang und vermochte dabei nicht zu verhindern, dass mit jedem seiner Schritte Wein über den Rand des Kruges schwappte und sein leinenes Hemd an den Ärmeln dunkelrot färbte.
    »Geht es nicht etwas schneller!«, drängte Notburga boshaft.
    »Oder soll deinem Herrn etwa zu Ohren kommen, dass du, anstatt deine Dienste zu verrichten, auf dem Burggang schläfst?«
    Der junge Küchenhelfer hatte von Arnold noch nie eine Strafe erhalten, aber die strenge Stimme der Äbtissin schüchterte ihn derart ein, dass er nochmals schneller lief.
    »Na bitte, es geht doch!« Notburga bog rechter Hand in den Gang ab, während der Küchenjunge geradeaus auf die Treppe ins Erdgeschoss zulief. »Vielleicht erhalte ich heute schon meine Belohnung, nachdem wir die letzten Punkte unseres Vorhabens besprochen haben«, sagte sie hoffnungsvoll zu sich selbst, als die Tür vor ihr auftauchte, hinter der sie Esiko von Ballenstedt in diesem Mondumlauf bereits zum vierten Mal erwartete – er war als einer der Ersten aus Italien zurückgekehrt. Angetan schaute sie an sich hinab und zog den Gürtel, der ihr schwarzes Gewand wie eine zweite Haut an ihren Körper zwang, noch enger um ihre Taille. Damit glich ihr Gewand – zumindest der Form nach – wenigstens nicht mehr dem einer verstockten Gottesfrau! Sie wollte gerade an die Tür klopfen, als aus der Kammer nebenan aufgeregte Stimmen in den Gang drangen.
    »Wie dumm von Euch, hierherzukommen!«, hörte sie einen Mann verärgert sagen.
    »Euer Exzellenz«, entgegnete da ein zweiter Mann, dessen Stimme sanfter, beinahe wohlwollend, klang. »Seid versichert, dass mich niemand auf dem Weg hierher beobachtet hat. Sie sind alle mit den Vorbereitungen für die Weihe beschäftigt.« Eine Exzellenz! Notburga sog scharf die Luft ein und zog ihre Hand, mit der sie soeben noch hatte anklopfen wollen, zurück. Sie spähte den Gang hinab und legte dann, nachdem weit und breit niemand zu sehen war, ihr Ohr vorsichtig an die Tür, hinter der die Stimmen zu hören gewesen waren.
    »Ich wollte Euch persönlich erklären, warum ich sie noch nicht aufhalten konnte«, erklärte die sanftere Stimme weiter.
    »Und? Warum konntet Ihr sie noch nicht aufhalten?«, fragte die erste Stimme in scharfem Stakkato.
    Die zweite Person schwieg eine Weile. »Die Handwerker folgen ihr blind«, sprach sie dann leiser weiter, woraufhin Notburga ihr Ohr noch fester gegen die Tür presste.
    »Ich hatte mir extra die Fundamente ausgesucht, weil sich deren Instabilität erst Jahre später zeigt. Pünktlich zur Weihe wollte ich die Risse als Gottesfluch präsentieren. Das Mauerwerk reagierte aber zu früh, und sie scheint alle Bewohner dieses verfluchten Burgberges oder gar der Mark in ihren Bann gezogen zu haben! Wie aus dem Nichts kamen sie urplötzlich von überall her, um zu

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