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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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antworte mir so schnell es dir möglich ist. Lass uns jeder für sich und doch in Gedanken vereint für unsere Mutter beten.
    Gegeben bei Merseburg am Fest des Großen Antonius, im Jahre 1025 nach des Wortes Fleischwerdung.
    Deine Uta
    Uta lehnte sich gegen das hölzerne Wagengerüst, drückte den Brief fest an ihre Brust und schloss die Augen, während draußen ein heftiger Eisregen niederging. Hazecha hatte also eine Aufgabe gefunden, die sie begeisterte und Freude in ihr weckte. Wie schön, ging es ihr durch den Kopf, jetzt muss ich nur noch rasch einen Boten finden, der das Schreiben überbringt.
    »Uta von Ballenstedt, seid Ihr da?«
    Uta schlug die Augen auf. Gleichzeitig wurde der Karren gebremst. Gerade noch rechtzeitig ergriff sie das Tintenfass und verschloss es. Was will der Ritter denn nun schon wieder?, dachte sie und schaute ungeduldig Richtung Wagenöffnung. Dann hellte sich ihr Gesicht schlagartig auf. »Wipo, tretet doch ein«, bat sie und versuchte, mit den Füßen Platz zu schaffen.
    »Ich wollte Euch endlich die Dionysiana zurückgeben.« Wipo kletterte in den Wagen, zog das Werk unter seiner Kleidung hervor und wuchtete es auf eine der beiden Reisetruhen, die vor Pergamenten überquollen. Uta fröstelte, als sie erkannte, dass er immer noch mit der knielangen Kutte bekleidet war, die er auch den Sommer hindurch getragen hatte. »Vielen Dank. Dann werde ich sie wieder bei mir verstauen. Wie kommt Ihr mit den Taten Konrads voran?«, fragte sie.
    »Wollen wir uns morgen früh in der Klosterbibliothek treffen, dann berichte ich Euch davon«, schlug Wipo vor und wollte schon wieder vom Wagen steigen.
    »Dann bringe ich Euch die neue Abschrift der Laelius Di Amicitia von Cicero mit«, sagte Uta. »Diese hat unsere Hoheit erst vor wenigen Tagen erhalten.«
    »Sehr gut. Dann können wir unsere nächste Diskussion über die freundschaftliche Hilfe und deren moralische und rechtliche Grenzen führen.«
    Uta staunte. »Ihr kennt die Schrift schon?«
    »Dass ich sie las, ist schon eine ganze Weile her«, sagte Wipo und setzte seine Füße auf die Abtrittstufe des Karrens.
    »Wipo?« Uta zögerte in Erinnerung an das zuletzt Gelesene.
    Der Kaplan hielt in seiner Bewegung inne.
    »Könnt Ihr mir sagen, was eine Befragung ist?«
    »Ihr meint eine Befragung auf einem Gerichtstag?« Wipo stieg zurück in den Karren.
    Uta nickte.
    »Das ist eine Befragung von Beschuldigten, Sachverständigen oder Zeugen durch den Richter oder seinen Beauftragten«, erklärte er.
    »Sachverständiger oder Zeuge«, murmelte Uta. »Wird diese Befragung auf Gerichtstagen heute noch angewendet? Ich las darüber in einer Schrift aus der Zeit König Clothars I.«
    »Das wird sie, Uta«, beschied Wipo. »Die Befragung wurde mit Vorliebe von Kaiser Heinrich durchgeführt. Und König Konrad machte davon zuletzt auf dem Gerichtstag in Paderborn Gebrauch.«
    In Paderborn? Das mussten die Tage gewesen sein, an denen Königin Giselas Zug bereits nach Hildesheim weitergeritten war.
    »Ihr interessiert Euch für das Königsgericht?«, fragte Wipo.
    Uta zögerte zunächst, nickte dann aber vorsichtig. »Vor allem für die Beweise«, sagte sie leise und wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als das Königsgericht in Paderborn miterlebt zu haben.
    Wipo nahm Uta gegenüber auf einem Höckerchen Platz, wobei seine Knie unter dem Gewand hervorkamen. »Ohne Beweise keine Anklage – so hält es zumindest der König und so weist er seine herzoglichen Richter an. Wie könnte man eine Schuld, wenn sie nicht von Gott anerkannt ist, auch sonst reinen Gewissens zuweisen?«
    Uta schluckte in Erinnerung an ihren Reinigungseid. Ohne Beweise keine Gerechtigkeit!, spann sie die Worte des Kaplans gedanklich weiter. Und ohne Gerechtigkeit keine friedliche Seele.
    »Merseburg!«, erklangen in diesem Moment einige Rufe.
    »Öffnet die Tore!«
    Uta lugte an Wipo vorbei aus dem Wagen hinaus. »Die Stadttore werden gerade geöffnet.«
    »Dann muss ich an die Seite seiner Exzellenz zurück.« Wipos Augen schlossen sich kurz und schienen danach tiefer denn je in ihren Höhlen zu liegen. »Gott behüte Euch, Uta«, sagte er noch und stieg dann aus dem Wagen.
    »Gott behüte auch Euch, Kaplan«, rief sie ihm hinterher und sah noch, wie die Kutte im Regen um seine nackten Knie schlug.
    Daraufhin zog sie sich wegen der Eiseskälte sofort wieder in den Karren zurück und flüsterte: »Ohne Beweise keine Gerechtigkeit und ohne Gerechtigkeit keine friedliche

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