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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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immer weniger Zeit mit ihren Hofdamen verbringen konnte. »Vielleicht sollte ich zukünftig in Gegenwart von unverheirateten Männern ausführlich von meinen Pflichten für die Königin schwärmen?«
    Adriana kicherte. »So werden sie denken, du seiest eine übereifrige Klosterschwester. Und das ist nun wirklich nichts, was ihre Träume beflügelt.«
    »Adriana, dann gebe ich dir gleich morgen ein Buch, das du ständig mit dir herumtragen kannst.« Uta umrundete ihr Bett und sah die Bilder schon deutlich vor sich: Wie sie bei einer der nächsten abendlichen Mahlzeiten einfach beginnen würde, die Unvollkommenheit des irdischen Friedens zu diskutieren – gleichgültig, ob überhaupt jemand danach verlangen würde.
    »Eine ausgezeichnete Idee«, bestätigte Adriana. »Welcher Mann interessiert sich schon für ein keusches und noch dazu belesenes Weib!«
    Uta kroch wieder zwischen Erna und Adriana und drückte die eisigen Füße an deren warmes Fleisch. »Ihr beide seid unschlagbar, wenn es um Ratschläge geht!«
    »Und du, wenn es um ihre Umsetzung geht«, flüsterte Adriana. »Und jetzt schlafen wir!«
    Uta kuschelte sich an Ernas Rücken und vergrub ihr Gesicht in deren Haarpracht.
    Als Adrianas regelmäßiger Atem an ihr Ohr drang, tippte sie Erna an: »Und jetzt erzähl mir mehr von deinem Ritter.«
    Das Neujahrsfest verbrachte der königliche Hof in Paderborn bei Bischof Meinwerk, um danach weiter in die Champagne zu ziehen, wo König Konrad sichern wollte, was seinem Vorgänger nicht mehr vergönnt gewesen war – die Eingliederung Hoch- und Niederburgunds in seinen Herrschaftsbereich. Zu diesem Zweck gedachte er eine den Erbvertrag ergänzende Vereinbarung aufzusetzen, die auch die letzten Zweifler davon abhalten sollte, nach dem Tode König Rudolfs III ., der inzwischen vierundfünfzig Jahre zählte, die Finger nach Burgund auszustrecken.
    Zum Dreikönigsfest begab man sich ins Kloster Corvey an der Weser. Und nur wenige Tage nach dem Fest wandte sich der Königszug nach Ostfalen, um sich mit dem Hildesheimer Bischof über die polnische Bedrohung zu beraten. Hermann und Ekkehard von Naumburg war es zwar gelungen, Bezprym die Information zu entlocken, dass sein Vater Boleslaw keine Gebietserweiterungen über die bisherigen Grenzen des Landes hinaus plante. Doch dann war Boleslaw plötzlich gestorben und Bezpryms jüngerer Halbbruder Mieszko hatte sich ebenfalls unrechtmäßig zum König von Polen krönen lassen. Und er schreckte im Gegensatz zu seinem Vater nicht vor blutigen Kämpfen zurück, um vom Kaiser die Unabhängigkeit Polens zugesprochen zu bekommen. Mieszkos Kämpfer hatten sich bisher darauf konzentriert, die nördlichen Grenzgebiete des Ostfrankenreichs auf Höhe des Herzogtums Sachsen auszuloten; so waren sie in die Stammgebiete der Liutizen eingedrungen. Diese schienen ihre Gegner zwar im Griff zu haben, denn größere Brandschatzungen waren bisher ausgeblieben. Dennoch sagte der Hildesheimer Bischof am Ende seiner Gespräche mit König Konrad die Bereitstellung von Kämpfern für die Verstärkung der Grenzgebiete zu. Danach ging der Umritt über Magdeburg, das Kloster Nienburg und dann entlang der Slawengrenze nach Merseburg ins Landesinnere weiter, um sich dort für gründliche Beratungen über das Verhältnis zu den östlichen Nachbarn zurückzuziehen. Die Überwachung der Grenzen hätte während des Königs Abwesenheit ein aufsteigender Adliger, ein Graf, übernommen, so erzählte man sich im Tross.
    Uta saß auf einem Holzhöckerchen im Wagen der Hofdamen, eine wollene Kapuze ins Gesicht gezogen, als Merseburg auf einem Hügel auftauchte. Es war kalt dieser Tage, der Frühling noch fern. Die Wege waren matschig, die Karren und Wagen blieben immer wieder im Schlamm stecken, und es gab abgesehen vom Königspaar und vom Erzbischof kaum jemanden, der in trockenen Gewändern steckte. Fröstelnd wandte Uta sich wieder dem Pergament eines namenlosen Schreibers zu, das von der Gerichtsbarkeit König Clothars I. handelte, der vor beinahe fünfhundert Jahren das Fränkische Reich regiert hatte. »Die wichtigste Aufgabe des Königs ist die Wahrung des Rechts und die Sicherung der göttlichen Ordnung«, begann sie laut zu lesen und blätterte durch das Werk. Auf den folgenden Seiten wurde die delegierte Gerichtsbarkeit beschrieben. Auf der zehnten Seite hielt Uta beim ersten Satz inne. »Keine Anklage ohne Beweise«, stand dort geschrieben. Sie blickte auf. Was waren Beweise? Der namenlose Schreiber

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