Die Herrin der Kathedrale
zusammenzutreiben.
»Da ist doch etwas in deinen Augen, Erna!«, stichelte Adriana. »Sag schon!«
»Was soll mit ihren Augen sein?«, wollte Elisabeth wissen und biss herzhaft in das Schinkenbrot.
Erna senkte den Kopf, schaute aber im nächsten Moment wieder auf. »Wenn die Ernte dieses Jahr eingeholt wird«, begann sie freudestrahlend, als Uta die Freundin auf einmal unterbrach. »Die Ernte?« Wieso vermochte die Aussicht auf Getreide und Hülsenfrüchte einen solchen Glanz auf Ernas Antlitz zu zaubern? Uta erhob sich, nahm die Freundin am Arm und führte sie von der Gruppe der speisenden Hofdamen weg.
»Was ist mir dir?«, flüsterte Uta verunsichert.
»Der Arnold sagt«, druckste Erna herum, als ob sie eben erst begreifen würde, was sie sich anschickte vorzutragen. »Er sagt, wenn die nächste Ernte eingeholt wird, wird er mich zur Frau nehmen.«
Uta hielt inne und schaute unauffällig zu den anderen Hofdamen hinüber. »Du möchtest heiraten?«
Erna nickte. »Ich spüre keinen innigeren Wunsch, als an seiner Seite zu sein.«
Vor Uta tauchte wieder das Antlitz des Küchenmeisters mit dem glutroten Haar auf, und erneut stieg Bitterkeit in ihr hoch.
»Freust du dich denn nicht für mich?« Erna betrachtete die Freundin. »Uta?«
Uta schüttelte sich und schob ihre Gedanken beiseite, als sie in Ernas strahlende Augen blickte. »Natürlich freue ich mich für dich, Erna.« Sie umarmte die Freundin, die daraufhin zu schluchzen anfing.
»Dann wird es eine Feier im Herbst geben, ja?«, fragte Uta und drückte die Freundin sanft von sich fort, um sie anzusehen. »Ich werde die Königin bitten, euch beiden ein Fest auszurichten.«
Erna umarmte die Freundin. »Meine Uta!«
Gleich nach seiner Heimkehr war König Konrad mit einigen Getreuen nach Mainz aufgebrochen, um in Vorbereitung auf den Feldzug nach Italien die Beurkundung mehrerer Landübertragungen vorzunehmen. Noch am selben Tag, an dem er seine Gattin auf der heimatlichen Burg zurückgelassen hatte, betrat er im Dunkel der Nacht an der Seite seines Erzkaplans den Palas der Mainzer Bischofsburg. Während sich die mitgereisten Ritter, Adligen und Bediensteten in der hofeigenen Brauerei stärkten, zogen sich König Konrad und Aribo von Mainz auf einen Becher Wein zurück – die geplanten Beurkundungen waren für den kommenden Vormittag vorgesehen.
»Willkommen in Mainz, Hoheit!« Erzbischof Aribo wies dem König einen der Stühle in seiner Arbeitskammer zu, nachdem er selbst Platz genommen hatte. Entspannt atmete Aribo durch und fixierte seinen Gesprächspartner. Endlich einmal konnte er den König ohne das Weib an seiner Seite sprechen, das unaufhörlich Ratschläge gab, anstatt dem Gatten weitere Nachkommen zu gebären. Ohne den König aus den Augen zu lassen, füllte er die bereitgestellten Becher mit Wein. »Der Osten unseres Reiches ist geschwächt«, sagte er.
»Geschwächter, als dies momentan den Anschein hat.« Konrad ergriff seinen Becher, überlegte aber, bevor er trank.
»Die östlichen Marken sind ein wichtiger Baustein meines zukünftigen Kaiserreichs. Welche Geschehnisse haben diesen Eindruck bei Euch hervorgerufen, Exzellenz?«
Aribo nahm einen tiefen Schluck. Es befriedigte ihn, die Augen des Königs erwartungsvoll auf sich gerichtet zu sehen.
»Wisst Ihr, Königliche Hoheit, es sind eher Unterlassungen denn Geschehnisse.« Mit dem Becher in der Hand trat Aribo vor das Fenster, von wo aus er die vom Mond beschienenen Umrisse der Kathedralruine betrachtete, die vor noch nicht allzu langer Zeit als Krönungsstätte gedient hatte. »Ich bin überzeugt, dass der selbstgekrönte Mieszko in absehbarer Zeit jene Gebiete unseres Reiches angreifen wird, an deren Grenzen keine Liutizen als unser Schutzschild stehen. Und auch, wenn wir ein gewaltiges Heer aufbieten würden«, sagte er und machte eine bedeutungsschwangere Pause, in der er einen weiteren Schluck trank, »wird der Osten nur dann einen unverrückbaren Stein im Bollwerk Eurer Macht darstellen, wenn Ihr Eure Herrschaft dort langfristig festigen könnt.« Aribo von Mainz verschwieg, dass ihm die Bedrohung im Osten in Wirklichkeit nicht die Spur einer Sorge bereitete – er aus taktischen Gründen die östlichen Erzbistümer aber im Krieg gebunden wissen wollte, um den Weg frei zu haben für den Ausbau der eigenen Vormachtstellung.
»Erklärt mir Eure Absichten, Exzellenz. Ich sehe die Herrschaft in der Mark Meißen als durchaus gesichert an. Auch wenn die Gespräche mit dem
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