Die Herrin der Kathedrale
enterbten Bezprym keine Früchte getragen haben.«
»Kurzfristig vielleicht, Königliche Hoheit. Aber schon mittelfristig habe ich ernsthafte Bedenken.« Einen Moment genoss Aribo aus den Augenwinkeln heraus den verwirrten Blick in Konrads Gesicht, dann fuhr er fort: »Langfristig ist die Herrschaft im Osten aber nur gesichert, wenn Euch treu ergebene Nachkommen dienen. Doch gerade an diesen mangelt es dem Meißener Markgrafen, dem wichtigsten dortigen Herrscher. Wenn wir aber im Osten Herrschaftsrechte hin und her übertragen müssen, nur weil es Euch an ergebenen nachrückenden Gefolgsleuten fehlt, schwächt dies die Grenzsicherung.« In erhabener Pose wandte Aribo sich wieder seinem Gesprächspartner zu.
König Konrad legte die Fingerspitzen vor der Brust aneinander. »Das ist durchaus ein Punkt, den es zu bedenken gilt, Exzellenz. Da mögt Ihr wohl recht haben.«
»Dann solltet Ihr zügig handeln, denn dieser Umstand wird auch den Polen nicht entgangen sein«, fügte der Erzbischof hinzu und rückte das Pallium auf seiner Brust zurecht.
»Ich danke Euch für den Hinweis, Exzellenz.« Der König nickte. Auch Gisela mahnte ihn immer wieder, langfristige Aspekte zu bedenken.
Zufrieden strich Aribo sich über die steifen Mundwinkel.
»Ein passendes Weib zu finden, das den Meißenern männliche Nachkommen gebärt, dürfte sicherlich kein Problem sein.«
»Sicherlich nicht, Exzellenz«, bestätigte der König.
In einer fließenden Armbewegung schüttete Aribo von Mainz den restlichen Inhalt seines Bechers aus dem Fenster. »Und wenn Ihr erlaubt«, er trat vor seinen König, »wüsste ich für den Markgrafen auch schon eine vortreffliche Partie.«
Der Luchs hatte zum Sprung auf seine Beute angesetzt.
14 Frei zitiert aus: Wipo: Taten Kaiser Konrads II., bearb. von Werner Trillmich, in: Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der hamburgischen Kirche und des Reiches, S. 548.
15 Ebda., S. 548.
16 Satz hier und folgend zitiert aus: Publilius Syrus, Bibliotheca Augustana, www.hs-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lsante01/Publilius/pub_sent.html , Sententiae D1.
6. EINE HANDBREIT ABSTAND
Das Tor zur Macht öffnete sich an diesem Tag geräuschlos für ihn. Er hatte erfahren, dass der Hof bereits vor mehr als zwei Mondumläufen wieder auf die heimatliche Burg zurückgekehrt war. Natürlich war er nicht den üblichen Weg über die königliche Kanzlei gegangen, um seine Bitte den Königlichen vorzutragen. Ihm, der als einer der obersten Befehlshaber des sächsischen Herzogs die Grenze nach Polen hin gesichert hatte, oblag es, sich direkt an diese zu wenden. Festen Schrittes betrat er hinter einem Pagen den Burgsaal, schritt an einer Gruppe von Männern – Ratgeber, Kanzlisten und Unterhalter – vorbei und auf eine Schar Damen zu, die sich an der Seite der Königin versammelt hatten. Königin Gisela sah er heute zum ersten Mal. Nicht zu dick, ging es ihm durch den Kopf, aber er bevorzugte die noch Magereren. Zur Linken der Königin standen die Ornatskriecher mit ihren kuttenähnlichen Gewändern. Herrgott, behüte mich vor deren Geschwafel!, dachte er nur. Neben ihnen unterhielten sich einige Ritter, die weitere Langweiler verdeckten. Die anderen Höflinge erschienen ihm aufgrund des sinnentleerten Hoflebens blass und uninteressant.
Dann glitt sein Blick zur Rechten der Herrscherin, zu den Weibern. Zuerst sah er eine zierliche Blonde, die sich sicher echsenartig unter ihm bewegen würde. Daneben eine Pummelige mit schwarzem Haar und eine Knochige – alles Weiber, die nicht mehr als körperliches Begehren zu wecken vermochten. Plötzlich stockte er. Zwischen die Knochige und das weißblonde Weib schob sie sich. »Uta?«, entfuhr es ihm unkontrolliert. Ihre leuchtenden Augen, ihr Funkeln, ihre zierliche Gestalt – eine Mischung aus Anmut und Unschuld.
Sie war es tatsächlich und stand an der Seite der Königin.
»Königliche Hoheit, der Graf von Ballenstedt«, kündigte der Page ihn an.
Mit pochendem Herzen blickte Uta auf den Gast, der gerade im Begriff war, vor der Königin niederzuknien. »Esiko!«, rief sie überrascht aus und wollte aus dem ersten Impuls heraus zu dem älteren Bruder laufen, doch Adriana hielt sie zurück. So lange hatte sie den Bruder nicht mehr gesehen. Sicher war er gekommen, um gemeinsam mit ihr für die Mutter einzutreten, und hatte beim sächsischen Herzog erwirkt, dass sie als Weib ohne Muntgewalt vorsprechen konnte.
»Ihr dürft Euch erheben, Graf«, sagte die
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