Die Herrin der Kelten
getrocknet hatte, fand ihn schließlich und ließ sich dort nieder. Dadurch saß er tiefer als Breaca. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand der Schmiede und legte den Kopf zurück, um Breaca besser ansehen zu können. Er war offenbar nicht bloß vorbeigekommen, um über Belanglosigkeiten zu reden. Breaca polierte den bronzenen Schlangenspeer, der den Knauf ihres Schwerts bildete, und ließ den Römer sein Anliegen zur Sprache bringen. Er war schließlich derjenige, der die ihm noch verbleibende Zeit in Tagen oder gar noch kleineren Einheiten zu zählen hatte. Sie erinnerte sich an die Geschehnisse am Fluss und daran, wie es sich für sie angefühlt hatte, sterben zu müssen. Es war kein unangenehmes Gefühl gewesen. Für sie als Kriegerin wäre es gut, dieses Gefühl auch im Kampf nicht zu vergessen. Wenn Bán Recht hatte, dann hatte der Römer schon in mehr Schlachten gekämpft, als er zählen konnte, und möglicherweise trug er dieses Gefühl ja die ganze Zeit mit sich herum, was auch seinen Mangel an Angst erklären könnte. Breaca blickte auf und musste feststellen, dass seine Augen bereits wartend auf ihrem Gesicht ruhten.
»Deine Schwertklinge ist sehr schön«, sagte er.
»Danke. Das finde ich auch.« Breaca balancierte die Klinge auf ihren Knien. Sie sah noch genauso prachtvoll aus wie zu Anfang; das Blatt war gerade und massiv, die perfekten Kurven des Knaufs strahlten, wie nur Bronze es vermochte, und der in der Mitte eingelassene Speerkopf der Vorfahren leuchtete milchig weiß. Nur die Kalbslederbindung am Heft war noch immer fleckig von dem Lanolin, das von ihren Fingern stammte. Sie wickelte die Wolle herum und begann zu reiben, um das Fett gleichmäßiger zu verteilen.
Der Römer bemerkte: »Mir wurde einmal gesagt, dass einem Schwert die Seele dessen innewohnt, für den es gemacht wurde. Ist das wahr?«
Breaca runzelte die Stirn und mühte sich mit dem ungewohnten Gallisch ab. »Nicht die Seele.« Sie schüttelte den Kopf. »In dem Schwert lebt unser Traum. Oder der Traum der Vorfahren, der durch die Generationen hindurch überliefert wurde, und natürlich die Taten derjenigen, die es geführt haben.« Weil sie kein anderes Wort für »Traum« wusste, hatte Breaca den Eceni-Ausdruck dafür verwendet.
»Also ist es für einen anderen unmöglich, das Schwert zu führen?«
»Nicht unmöglich, das nicht, aber es muss auf die richtige Art geschehen - mit Ehrgefühl.« Sie erinnerte sich an ihren Eid, den sie Caradoc auf der Landspitze geschworen hatte, und an all das, was dieses Versprechen beinhaltete, und suchte nach einem Weg, wie man jemandem die Kernaussage eines ganzen Lebens und die Weisheit der Ahnen vermitteln sollte, wenn dieser von beiden nicht die geringste Ahnung hatte. Langsam, ihre Worte sorgfältig abwägend, erklärte sie: »Wenn jemand einem anderen sein Schwert anbietet, und das im Namen des Kriegereides, dann geschieht das unter der Anerkennung dessen, dass sie vom gleichen Geblüt sind, wenngleich unterschiedliches Blut durch ihre Adern fließt, dass sie die gleichen Götter haben, wenngleich die Namen unterschiedlich klingen mögen, dass sie die gleiche Ehre besitzen, wenngleich sich ihre Wege nie gekreuzt haben.«
»Das Schwert verbindet sie also wie Brüder - oder Schwestern?«
»So in der Art.« Breaca dachte an Amminios und an seinen viel zitierten Hass auf Caradoc. Und nach all dem, was sie über Letzteren erfahren hatte, beruhte die Tiefe und die Leidenschaftlichkeit dieses Hasses auf Gegenseitigkeit. »Sogar noch enger, glaube ich«, fügte sie hinzu. »Denn manchmal kämpfen selbst Brüder gegen Brüder.«
»Aber du würdest niemals gegen einen Mann kämpfen, der dir sein Schwert anvertraut hat, und er auch nicht gegen dich?«
»Natürlich nicht.«
»Ich verstehe. Das ist... bedauerlich.« Er schwieg, tief in Gedanken versunken.
Breaca beendete ihre Arbeit und ließ das Schwert schließlich zwischen ihren Handflächen ruhen. Es war das beste Schwert, das ihr Vater jemals geschmiedet hatte. Das Sonnenlicht glitt gleißend an dem Metall entlang und durchschnitt die Luft zwischen ihr und dem Römer in einem blendend hellen Strahl.
»Caradoc hat mir die Punkte, die dem Rat vorgetragen werden sollen, genau auseinander gesetzt«, sagte er. »Es gibt eine Art Gleichstand der Argumente dafür und dagegen. Und darum könnte ich, gesetzt den Fall, dass sie für meinen Tod stimmen, dennoch die Erlaubnis bekommen, gegen einen zuvor ausgewählten Krieger kämpfen zu
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