Die Herrin der Kelten
wurde.
Caradoc erwischte ihn gerade noch, als er davonzuwirbeln drohte. Dann wurden sie von dem Sog der Strömung unter Wasser gezogen und tauchten eine Strecke weiter entfernt wieder auf, noch immer zusammen. Caradocs Stimme drang an ihr Ohr. »… müssen ihn rausschaffen... darf nicht in den Teich geschwemmt werden...«
An den Teich hatte Breaca überhaupt nicht mehr gedacht. Panische Angst bohrte sich wie ein scharfes Messer in ihr Herz. Nicht Angst um sich selbst, sondern um die unzähligen Menschen, die würden sterben müssen, falls jemand in das Reich der Göttin eindrang. Airmid hatte diese Katastrophe in der vergangenen Nacht im Traum gesehen, und danach hatten sie und Breaca darüber gestritten, weil es unvorstellbar war, dass jemand in den Teich fallen sollte, und weil es leichter war, sich über den Traum zu streiten als über die anderen Dinge, die zwischen sie traten. Jetzt hätte Breaca am liebsten geweint, wenn sie noch den Atem dafür gehabt hätte. Sie versuchte zu erkennen, wo sie war, doch das erdrückende Gewicht der Wassermassen hielt sie nieder. Ihr Verstand befahl ihr, etwas zu unternehmen, um die drohende Katastrophe abzuwenden, aber ihr Körper reagierte verspätet und nur sehr schwach. Ihre Glieder waren bleischwer vor Erschöpfung; sie krampften sich zusammen und wollten sich einfach nicht wieder strecken. Sie stieß sich mit letzter Kraft empor, um nach vorn zu sehen, und stellte plötzlich fest, dass sie nicht mehr allein war. Menschen hatten sich am Ufer versammelt. Sie sah die graue Stute und empfand Dankbarkeit; Bán hatte sie gut geritten. Sie sah Airmid, die sich als Silhouette gegen den Mond abzeichnete, und ihr blutete das Herz. Sie sah das weiß schäumende Wasser am oberen Ende des Wasserfalls, sehr viel näher, als sie geglaubt hatte. In Airmids Traum war der Körper eines Mannes in den Teich geschwemmt worden, und diese Entweihung hatte Nemains Zorn auf die Eceni und viele nachfolgende Generationen heraufbeschworen. Das durfte einfach nicht passieren. Breaca stieß sich mit beiden Füßen ab, um sich hoch über die Wasseroberfläche zu erheben, holte tief Luft, krümmte sich zusammen und tauchte abermals unter.
Das Wasser war ihr Freund. Es verstand die Bedeutung von Opfergaben. Ihr Volk hatte das schon seit Anbeginn der Zeit gewusst. Diesmal schmerzten ihre Lungen nicht. Die Strömung war jetzt warm, als ob Sommer wäre; sie wand sich, weichen Fäden und Strähnen gleich, um Breacas Körper vor Verletzungen zu schützen. Die ungeheure Kraft des Wassers erfüllte sie, als sich der Fluss zu einer Speerspitze verengte und auf die Spalte in dem Felsgestein zuströmte. Jetzt, am Ende, empfand Breaca keine Angst mehr. Das Wasser trommelte im selben Rhythmus wie ihr Herz. Sie hörte die Stimme ihrer Mutter, zu einem flehentlichen Gesang erhoben. Sie streckte die Arme weit aus, um die Ränder des Felsens zu fassen zu bekommen und nicht durch die Spalte geschwemmt zu werden. Ihr Körper prallte mit niederschmetternder Wucht gegen eine Wand, wo eigentlich die Felsspalte hätte sein sollen, der Aufprall hart, dass ihr der letzte Atem aus den Lungen gepresst wurde. Die Welt um sie herum, ohnehin schon schwarz, zerbarst in einer Explosion von Scharlachrot, verziert mit Tausenden von Sternen. Von den Wassermassen im Kreis herumgewirbelt, kämpfte Breaca verzweifelt darum, den Felsen zu packen, sich daran festzuklammern. Ihre Fingerknöchel schlugen schmerzhaft gegen Stein. Sie stemmte sich mit dem Unterarm dagegen und spreizte die Füße, um sich abzustützen und eine Barriere aus sich zu machen. Es war das Einzige, was sie noch tun konnte. Jetzt war es Caradocs Sache, sich selbst und Dubornos zum Flussufer zu befördern. Plötzlich krachte ein Körper gegen ihren Rücken. Sie schrie gellend auf, und der Fluss füllte ihre Lungen. Ihre Mutter sang in der Sprache der Ahnen. Sie ließ los und ergab sich in ihr Schicksal.
»Breaca? Breaca, bitte, bitte, atme !«
»Sie ist hinübergegangen. Es tut mir unendlich Leid. Ich war nicht schnell genug, als ich sie aus dem Wasser gezogen habe.«
»Nein. Sie kann jetzt nicht gehen. Ich werde das einfach nicht zulassen. Ihr Herz schlägt noch immer. Wir müssen sie zum Atmen zwingen!«
»Lass mich mal...«
Sie fühlte starke Schmerzen, aber damit hatte sie gerechnet. Ein scharfer, stechender Schmerz schoss in regelmäßigen Abständen in ihre Lungen hinunter, so als ob sich flüssiges Feuer in ihre Kehle ergießen würde. Andere Feuer,
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