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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Calma, der sich durch seine Größe hervorhob. Seine Vision war der Reiher. Man konnte leicht die Verbindung zwischen dem großen, langbeinigen Speervogel und diesem Mann erkennen. Von seiner Schläfe baumelte eine sorgfältig platzierte, bläulichgraue Feder von der Länge seines Daumens herab, so dass die geschwungene Spitze auf einer Höhe mit seinem Kinn war. Sie wirbelte sanft in der Morgenluft.
    In seiner Nähe stand Breaca. Sie loderte förmlich im Licht der Sonne. Ihr Haar hätte aus Bronze gegossen sein können, ihre Augen waren kupfergrün und funkelten lebhaft. Das Weiß ihres Schildes wirkte wie Schnee vor dem Rostrot ihrer Tunika und ihres Haares. An ihrer Seite stand der Römer, und man konnte merken, dass sie sich miteinander unterhalten hatten. Die Spannung zwischen ihnen war fast greifbar. Der Fremde war jetzt noch blasser als zuvor, und er stand auffällig still da. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck der Dankbarkeit, als Luain mac Calma sich nach vorn drängte und die Worte der älteren Großmutter für ihn ins Lateinische übersetzte. Das unharmonische Durcheinander aus Vokalen und Konsonanten bildete einen krassen Gegensatz zu dem weichen Fluss des um sie herum ertönenden Eceni. Plötzlich verstummten alle. In dem Schweigen, das darauf folgte, verneigte sich der Römer.
    »Selbstverständlich«, sagte er auf Gallisch, damit ihn alle verstehen konnten, »werde ich mich dem Urteil der Ratsversammlung in jedem Fall beugen.«
    Es sollte jedoch weder eine ruhige noch eine kurze Sitzung werden. Wäre sie eher einberufen worden, gleich in den ersten Tagen nach dem Schiffsunglück, dann hätte es womöglich weniger von jenen gegeben, die nun ihre strikten Ansichten verlauten ließen. Doch in Anbetracht der jetzigen Lage wollte jeder, der dazu berechtigt war, vor dem Rat zu sprechen, dies auch tun. Bán, der nicht das Recht dazu besaß, stellte plötzlich fest, dass ihm ganz und gar nicht danach zu Mute war, der Menge nach drinnen zu folgen. Der Tag war sonnig und frisch, wohingegen die Luft im Großen Versammlungshaus stickig war und der Rauch der Fackeln ihm jetzt schon in den Augen brannte. In dem Haus würden mehr Menschen versammelt sein, als er es jemals zuvor erlebt hatte. Seine Geschirrhütte war von Segoventos und dem zweiten Maat mit Beschlag belegt worden, und Bán war gezwungen gewesen, zum Schlafen in das Rundhaus zurückzukehren; er stellte fest, dass er die Gesellschaft der Hunde und die Einsamkeit vermisste. Er brauchte den Frieden des Waldes jetzt dringender, als dass er das Bedürfnis gehabt hätte, dem Zorn der Erwachsenen zu lauschen, der in die Sprache der Sänger gekleidet war und schließlich von den Ältesten bestätigt wurde. Er wusste bereits, wie die Argumente lauten würden, er hatte sie in den vergangenen Monaten schon zu oft gehört.
    Er blickte sich um, auf der Suche nach einem bekannten Gesicht. Die Menge strömte um ihn herum und veränderte ständig ihr Aussehen. Caradoc hatte den Römer in das dunkle Innere des Versammlungssaals geführt. Ganz in der Nähe stand Airmid, allein. Bán streckte die Hand nach ihr aus und berührte sie am Arm. Als sie sich umdrehte, zeigte er erst auf sich, dann auf Hail, der an der Seite des Hauses in der Sonne lag, und schließlich in Richtung Wald. Sie zog die Brauen hoch und nickte schließlich. Bán bewegte sich seitwärts zum Rand der Menschenmenge und entfernte sich dann im Laufschritt von dem Gedränge. Mehrere Leute sahen ihn davoneilen, aber keiner von ihnen unternahm einen Versuch, ihn aufzuhalten. Hätte Bán sich umgedreht und zurückgeblickt, dann hätte er erkannt, dass mehr als einer ihn um seine Freiheit beneidete.
     
    Zu dem Zeitpunkt, als die letzten der Ältesten in einer Reihe durch die Tür eintraten und sich auf den ihnen zugewiesenen Plätzen niederließen, war Bán schon tief in das Baumdickicht eingedrungen. Luain mac Calma, der aus Mona stammte, nahm unter allen Anwesenden eine Sonderstellung ein und hätte die Ratsversammlung, wenn er es gewollt hätte, leiten können. Das wollte er aber nicht. Er saß in der Nähe des Türvorhangs, an einem Platz, von dem aus er gesehen und gehört werden konnte und von wo aus er leicht übersetzen konnte, wenn dies erforderlich war. Er faltete seinen geliehenen Umhang zu einem Rückenpolster zusammen und lehnte sich gegen die Wand, um mit seinen Ohren den Stimmen der Menschen zu lauschen, mit seiner Seele den Stimmen der Götter und mit seinem Geist den Erinnerungen aus

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