Die Herrin der Kelten
als Amminios’ Aufmerksamkeit auf seinen eigenen Angriff konzentriert war. Sein Zug brachte ihm zwei gegnerische Spielsteine ein und zwang den gelben Träumer, sich in Deckung zu flüchten. Amminios konterte mit einem seiner im Hüpfschritt ausgeführten Züge, der einen Spielstein von einer gegenüberliegenden Ecke des Bretts über das ganze Feld führte und am Ende nach links abbog. Bán hatte es bereits kommen sehen und musste weitere drei seiner roten Krieger abgeben. Einen Moment später, in einem Zug, so tadellos wie jeder, den er bisher gemacht hatte, fegte sein Träumer fünf Krieger des Feindes vom Brett. Er und Amminios spielten jetzt mit größerer Vorsicht, umkreisten sich gegenseitig, täuschten den Gegner durch Finten und Ablenkungsmanöver und schoben die Träumer in Verteidigungszügen auf dem Spielbrett herum, die keine Wunden schlugen. Die wenigen Kriegersteine, die sie noch hatten, wurden immer wertvoller. Jeder von ihnen verlor einen weiteren und wurde daraufhin noch vorsichtiger. Keiner von ihnen wollte, dass die Partie mit einem Unentschieden endete; um den Träumer des Gegners zu schlagen, musste jeder von ihnen noch mindestens drei Spielsteine auf dem Brett haben. Amminios begann, seine Steine wie aufs Geratewohl zu bewegen. Das Spielbrett wurde zu einem eisbedeckten Teich, seine Steine zu spielenden Kindern. Das Muster ihrer Bewegungen hatte eine tödliche, geschmeidige Anmut an sich. Es war schwierig, sich nicht davon gefangen nehmen zu lassen, das Spiel nicht lediglich um der Schönheit des Tanzes willen zu spielen. Bán grub seine Fingernägel in seine Handflächen und biss auf den Rand seiner Zunge. Er zog seine Krieger zu einem gefährlichen, komprimierten Block zusammen und ließ sie in einem Massenangriff vorrücken, um die Eistänzer zur anderen Seite des Bretts zu treiben und die Muster zu zerstören. Es dauerte seine Zeit, und Amminios ließ seine Figuren währenddessen Kreise ziehen und sich geschickt um Báns Krieger herumschlängeln, wie um das Manöver des Gegners zu verspotten.
Keiner von ihnen sprach ein Wort. Bei anderen Partien hatten sie sich beiläufig miteinander unterhalten. Sie hatten über die Pferde gesprochen, über Breacas Graue und die Rennen, die sie gewonnen hatte; über die rotbraune Stute und das Fohlen, das sie erwartete; über die Zuchtprojekte des Sonnenhunds und wieso Aminios glaubte, dass die Blutlinien seines Vaters mit fehlerhaften Elementen behaftet waren; und darüber, was er auf seinen drei Landgütern in Gallien zu tun beabsichtigte. Bán hatte von Hail und ihren gemeinsamen Jagdabenteuern erzählt. Amminios hatte sich mit einer Geschichte über Odras’ Jagdhündin und ihren einsamen Kampf gegen einen ausgewachsenen Hirschbullen revanchiert.
Diesmal herrschte vollkommenes Schweigen. Irgendwo am äußeren Rande seines Bewusstseins nahm Bán noch andere Stimmen außer Airmids wahr, die seinen Namen riefen, doch er war längst über den Punkt hinaus, wo sie seine Züge beeinflussten. Auf halbem Weg durch den Eistanz spürte er plötzlich einen kalten Luftzug, als der Türvorhang beiseite geschoben wurde, und da wusste er, dass die anderen ihn gefunden hatten. Gestalten drängten sich im Eingang. Irgendjemand brachte eine weitere Fackel herbei, und die Schatten der Spielsteine auf dem Brett fielen in eine andere Richtung. Stimmen murmelten durcheinander; sie klangen wie das morgendliche Geplapper von Ringeltauben und ergaben kaum mehr Sinn.
Jemand fragte: »Worum spielen sie?« Und jemand anderer, Caradoc oder auch der Römer - ihre Stimmen klangen geradezu unheimlich ähnlich, wenn sie unter Stress standen - sagte: »Die Pferde. Es geht bestimmt um ihre Pferde«; und eine dritte Stimme, die Amminios’ sein musste, erwiderte daraufhin: »Bruder, du würdigst mich herab. Wir spielen um unsere Ehre. Und um den Jungen.« Nicht lange danach wurde der Türvorhang abermals beiseite geschoben, und Bán wusste, dass Iccius da war.
Nichts von alledem berührte ihn. Er war mittlerweile an einem Ort, wo er für nichts und niemanden mehr erreichbar war. Sein Herz gehörte dem Spielbrett, und er hätte selbst dann weitergespielt, wenn sie ihm gesagt hätten, dass Iccius geflohen sei und mit der rotbraunen Stute über den Ozean nach Gallien ritte oder dass er tot sei. Jetzt tanzten sie beide wahrhaftig. Bán hatte seinen geschlossenen Vormarsch abgebrochen und seine Krieger ausgeschickt, um nach gegnerischen Schwachstellen zu forschen. Als er eine fand, nahm er
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