Die Herrin der Kelten
ihnen den Nacken hinunterrannen. Bán hörte, wie irgendwo in der Ferne jemand seinen Namen rief, und änderte seine Meinung über den Zug, den er gerade hatte machen wollen. Das Spiel hatte von genau diesem Zug abgehangen, und er gewann die Partie und dankte den Göttern für ihre rechtzeitige Warnung. Neben ihm lag alles, worum sie gewettet hatten; bei jeder Partie hatten sie ihre Einsätze erhöht und schließlich alles gesetzt, was sie besaßen. Bán hatte inzwischen das braune Pferd und den dazugehörigen Sattel gewonnen, Amminios’ Schwert und seinen Gürtel und außerdem einen Dolch, zwei Armreifen und einen Torques. Amminios streckte die Arme, verschränkte die Finger und ließ seine Knöchel knacken. »Noch eine Partie«, sagte er. »Bei der Letzten hast du lediglich Glück gehabt. Ich will mein Pferd zurückhaben.«
Bán grinste. Schweiß rann in Strömen über seine Stirn und durchnässte den Halsausschnitt seiner geliehenen Tunika. Seine Beine waren steif und verkrampft, und seine Blase drückte unangenehm. Seine Finger griffen automatisch nach den Spielsteinen, selbst wenn sie nicht in ein Spiel vertieft waren. Er war nur selten so glücklich gewesen wie jetzt. »Du hast dein Pferd verloren, weil du dein Schwert zurückhaben wolltest, und du hast dein Schwert wegen deines Dolches verloren. Du solltest aufgeben, solange du noch kannst. Du hast doch nichts mehr zu verlieren.«
»O doch, das habe ich. Ich habe Iccius. Ich werde ihn gegen mein Pferd und den Rest meiner Kampfausrüstung setzen.« Amminios sprach leichthin, mit jener entwaffnenden Offenheit, die so typisch für ihn war. Seine graugrünen Augen ruhten auf dem Spielbrett, als wollte er eine Konfrontation vermeiden. Ein Holzscheit knackte im Feuer. Regen prasselte geräuschvoll auf das Dach der Hütte. Die Hündin rollte sich seufzend auf die andere Seite, und die Welpen protestierten fiepend gegen diesen vorübergehenden Verlust der mütterlichen Zitzen. Bán spürte, wie der Schweiß in seinem Nacken eiskalt wurde. Die Überreste der Hafermehlkekse lagen ihm plötzlich bleischwer im Magen.
»Du kannst doch nicht das Leben eines anderen Menschen verwetten«, sagte er entgeistert.
Amminios zog eine Braue hoch. »Er ist kein Mensch. Er ist ein acht Jahre alter belgischer Junge, der von seinem Vater an einen in Gallien weilenden Römer verkauft wurde, und ich kann mit ihm tun, was ich will. Ich habe ihn bei einem Spiel gewonnen, und es gibt keinen Grund, weshalb ich ihn nicht auf die gleiche Art und Weise wieder verlieren sollte.« Er ordnete die Spielsteine auf dem Brett und blickte dann lächelnd auf. »Nur dass ich nicht die Absicht habe, diese Partie zu verlieren.«
Es war sein Lächeln, das den Ausschlag gab, sowie die Erinnerung an die panische Angst in der Stimme des Jungen und die Auswirkungen des Ales und des Wermuts, jetzt kalt, aber deshalb nicht weniger stark. Bán nahm die beiden Träumersteine vom Spielbrett, schüttelte sie dann ein paarmal in der geschlossenen Hand, so dass sie durcheinander wirbelten, und hielt Amminios dann seine geschlossenen Fäuste hin, einen Stein in jeder Faust. »Du bist mit Wählen an der Reihe.«
»Dann akzeptierst du also?«
»Ja.«
»Was willst du gegen Iccius setzen?«
»Alles das hier.« Bán wies mit einer Armbewegung auf die Sammlung aus feinziseliertem Gold, mit Email verzierter Bronze, mit Ziernägeln beschlagenem Eisen und Leder, die neben ihm lag. »Sowohl meine Sachen als auch deine.«
»Und die Pferde?«
Es war eine sorgfältig durchdachte Falle, ebenso raffiniert gestellt wie jede, in die Amminios ihn auf dem Spielbrett gelockt hatte. Der Schock der Erkenntnis ging wie ein Ruck durch Bán hindurch, so als ob er nicht nur seinen Verstand, sondern auch seinen Körper einsetzen müsste, um dieser Falle zu entgehen. »Ich werde dein Pferd setzen«, erklärte er. »Nicht meines.«
Amminios grinste schlau. »Das reicht nicht, Krieger. Wenn man nichts zu verlieren hat, hat man auch keinen Grund, gut zu spielen. Das habe ich schon oft beobachtet. Man geht die größten Risiken ein, wenn man die Grenze der Angst hinter sich hat. Sonst ist es kein richtiger Wettkampf.«
Es stimmte, sie spielten beide besser, wenn der Einsatz besonders hoch war und eine Niederlage schwere Verluste mit sich bringen würde. Das war aber jetzt nicht der springende Punkt. »Wir spielen um das Leben eines anderen Jungen«, sagte Bán. »Das ist ja wohl Grund genug, um Angst zu haben.«
Amminios lachte. »Um
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