Die Herrin der Kelten
hinwegspringt. Sieger des Spiels ist derjenige, der das Brett von den Steinen seines Gegners räumt.«
»Dann werden wir auch erst einmal auf diese Art spielen. Wenn du ein paar Steine gewinnst, können wir ja noch die Träumer mit dazunehmen. Sie machen den Tanz interessanter, genau wie im Leben.«
Die Träumersteine wurden sorgfältig auf die Seite gelegt und die übrigen Spielsteine aufgereiht. Bán, der Rot spielte, machte den ersten Zug. Es war fast ein Jahr her, seit er das letzte Mal ein Spielbrett gesehen hatte, und er ging langsam und bedächtig vor, ähnlich wie jemand, der aus einem langen Schlaf erwacht. Er spielte seine erste Partie ziemlich einfallslos und verlor. Seine ersten sechs Spielsteine wurden durch einige wenige Sprünge des Gegners vom Brett gefegt. Die Übrigen wurden in die Enge getrieben und einzeln oder paarweise vom Gegner einkassiert. Es war eine schnelle, saubere Exekution, ohne jede Feindseligkeit ausgeführt. Am Ende sammelte Amminios seine eigenen Spielsteine wieder ein. Er hatte nur drei verloren. »Noch eine Partie?«, fragte er.
»Wenn es dir nichts ausmacht, gegen einen Anfänger zu spielen.«
»Überhaupt nicht. Du hast gut gespielt. Gegen Ende der Partie hast du sogar gelernt, vorausschauend zu spielen. Mit ein bisschen Übung wirst du bald noch besser werden.«
Die zweite Partie war weniger rasch beendet, aber das Ergebnis war das Gleiche, so wie auch bei der dritten. Die vierte Partie dauerte länger. Gegen Ende des Spiels hatten sowohl Bán als auch Amminios nur noch jeweils drei Steine übrig. Der Umstand, dass nun so viel Platz auf dem Spielbrett war, machte es schwieriger, den Gegner dazu zu bringen, einen Fehler zu machen. Die Zuchthündin erhob sich von ihrem Lager, reckte sich gähnend und zwängte sich durch die Türklappe hinaus, um sich zu erleichtern. Die beiden Spieler brachen das Spiel ab, um sich mit den jämmerlich fiependen Welpen zu befassen, die plötzlich in heller Aufregung durch die Hütte tappten, drauf und dran, ihrer Mutter nach draußen zu folgen. Als die Hündin wieder zurückkehrte, bis auf die Haut durchnässt, einigten sie sich auf ein Unentschieden.
Das war der Wendepunkt. Bán gewann die fünfte Partie. Die Freude über seinen Sieg wallte heiß und heftig in ihm auf und erfüllte ihn mit Triumph, so als ob er einen Speer auf eine Zielscheibe geschleudert und genau ins Schwarze getroffen hätte. Amminios ging lächelnd hinaus und kehrte wenig später mit einem frischen Krug Ale zurück. »Dieser hier ist nicht so stark wie der andere«, erklärte er, »aber er ist ziemlich heiß.« Er stellte den Krug zwischen sie auf den Boden. »Wollen wir noch eine Partie spielen?«
Bán gewann auch die nächsten beiden Partien, berauscht von Ale und Begeisterung. Danach nahmen sie die Träumer mit ins das Spiel hinein, und er verlor prompt. Die Träumer waren sehr viel flexibler als die Krieger, und sie machten den Tanz, genau wie Amminios gesagt hatte, weitaus aufregender. Bán brauchte drei Partien und ein weiteres Unentschieden, um zu lernen, wie man sie taktisch geschickt einsetzte. Bald darauf schlug Amminios eine zweite Spielvariante vor, bei der ein Krieger, der in eine Ecke des Gegners vorgedrungen war, für einen Zug zum Träumer werden konnte. Die einzelnen Partien gingen jetzt zügiger voran, und das Spiel wurde raffinierter.
Bei der zwölften Partie sagte Amminios: »Gewinnen ist ja schön und gut, aber ich finde, wir sollten um mehr als nur den Sieg spielen. Ich werde beim nächsten Spiel um meinen Armreif wetten. Willst du dagegen setzen?«
Sie spielten um Báns Bronzereif gegen Amminios’ goldenen, und Bán verlor. Er verlor in rascher Folge auch seinen Dolch und seinen Gürtel und gewann sie dann zurück; sein Schwert wechselte dreimal in ebenso vielen Spielen den Besitzer; Amminios setzte sein Pferd als Wetteinsatz ein - einen intelligenten Braunen von edlem Geblüt - und verlor es. Die Partie, in der er sein Pferd schließlich wieder zurückgewann, wurde schneller gespielt als jede vorherige, und danach waren beide in Schweiß gebadet und zitterten an allen Gliedern.
Sie spielten wie besessen weiter. Die Zeit wurde lang und länger und verlor schließlich ihre Bedeutung. Die Welt um sie herum schrumpfte mehr und mehr zusammen, bis sie nur noch aus dem schwächer werdenden Licht des Feuers bestand und aus den Schatten der Spielsteine auf dem Brett, aus dem Rauschen des Blutes in ihren Ohren und den winzigen Schweißbächen, die
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