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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Düsterkeit des Hypokaustums leuchtete das Blau seines Auges matt, wie trübes, ungewaschenes Glas. Er hatte zuvor geweint; es war an den sauberen Spuren zu erkennen, die seine Tränen in dem Ruß auf seinen Wangen hinterlassen hatten, doch jetzt weinte er nicht. Als er Bán sah, lächelte er schief mit der einen Hälfte seines Gesichts, die von oben sichtbar war. Auf Eceni flüsterte er: »Jetzt kannst du Amminios töten.«
    »Nein!« Bán hielt den Rand des Lochs umklammert. »Nein, Iccius, sag so etwas nicht! Du wirst nicht sterben.«
    »Doch, ich sterbe. Du kannst nicht... Nein, Bán, nicht, tu’s nicht...«
    Der Fußboden war nicht sicher. Als Bán sich über den Rand des Lochs in die Tiefe schwang, brachte er mit seinem Gewicht einen weiteren Teil des Bodens zum Einsturz. Oben beschimpfte Braxus ihn unflätig als Idioten und versprach ihm, ihn auspeitschen zu lassen, unternahm aber nichts, um ihn wieder herauszuhieven. Bán kauerte sich in die Trümmer. Scharfkantige Scherben von den zersprungenen Bodenfliesen schnitten in seine nackten Fußsohlen. Die Stützpfeiler zu beiden Seiten der Einsturzstelle neigten sich gefährlich. Bán kniete sich neben den Jungen, ohne sich um die Splitter zu kümmern, die sich in seine Knie gruben. Iccius drehte den Kopf zu ihm herum. Sein Gesicht war wieder kreideweiß, so wie es am Morgen nach seiner Rückkehr von Braxus gewesen war. Doch jetzt hatten selbst die Vertiefungen unter seinen Augen alle Farbe verloren.
    Bán drückte einen Kuss auf die Wange des Jungen und dann auf die kalten, bläulich verfärbten Lippen. Er weinte, und seine heißen Tränen versengten sie beide. »Beweg dich nicht. Ich werde dich hier rausholen. Iccius, hör mir zu! Du wirst nicht sterben!«
    »Doch, ich... ich muss gehen... hab nur noch auf dich gewartet...« Es war weniger als ein Flüstern - ein kaum hörbares Hauchen. Die großen blauen Augen verschleierten sich, und ihr Blick begann zu verschwimmen. Als der Junge abermals lächelte, galt sein Lächeln den Schatten in der feucht-klammen Dunkelheit des Hypokaustums, und Bán hatte keinen Anteil an dem, was Iccius dort sah. Schmerz und Verzweiflung zermarterten ihm das Herz. Er hob den gebrochenen Kopf des Jungen an, bettete ihn behutsam an seine Brust und fühlte das Erzittern einer Seele, die sich an das Leben klammert. Er küsste Iccius, so wie er ihn noch nie zuvor geküsst hatte, mit der Inbrunst und Leidenschaft der Verzweiflung.
    »Iccius, geh nicht! Bleib bei mir, bitte! Ich liebe dich. Du kannst nicht sterben. Du darfst nicht sterben!«
    Der Junge lächelte schwach. Sein Atem rasselte in seiner Brust. Frisches Blut und eine klare, gelbliche Flüssigkeit rannen aus einem Ohr heraus. Er runzelte die Stirn, bemühte sich krampfhaft, abermals zu sprechen.
    »Iccius, tu’s nicht. Es kostet dich zu viel Kraft.«
    »Nein. Hör zu...« Bán beugte sich tief über den Jungen, um ihm zuzuhören, und fühlte den Hauch eines Kusses auf seinem Ohr, dann einen einzigen Satz, aufgespart und mit dem allerletzten Atem hervorgestoßen, der noch in ihm war. »Versprich mir, dass du nicht umsonst sterben wirst«, flüsterte Iccius.
    Er seufzte noch ein letztes Mal, ganz leise, dann schlossen sich seine Augen für immer.
     
    Aus dem Loch wieder herauszuklettern war sehr viel schwieriger, als das Hineinspringen gewesen war. Braxus stand reglos da und schaute zu, ohne Bán seine Hilfe anzubieten. Bán hievte sich mühsam hoch, zerkratzt und mit blutenden Schürfwunden übersät, doch er spürte nichts von alledem. Auf zitternden Beinen stand er vor dem Aufseher.
    »Du hast den Riss im Fußboden gesehen. Du hast gewusst, dass er einstürzen würde. Du hast den Jungen umgebracht!«
    Der Thraker lächelte nichts sagend. »Er war nur ein Sklave. Es war ein schneller Tod. Du solltest um das Gleiche beten.« Er sprach so ungerührt, als ob es um ein Kaninchen ginge, das er bei der Jagd getötet hatte, oder um eine frisch geschlachtete Sau. »Sein Blut wird den Fußboden versiegeln. Vielleicht wird es ja beim nächsten Mal dafür sorgen, dass die Pfeiler halten.« Er wandte sich ab und begann, sich einen Weg durch den Schotter zu bahnen. »Es ist nur ein Glück, dass Amminios an den Hof seines Vaters zurückbeordert worden ist. Das Kind hätte eigentlich dem zu Besuch weilenden Tribun angeboten werden sollen, nachdem der Verkauf der Pferde unter Dach und Fach gewesen wäre. Es wäre schwierig gewesen, so kurzfristig einen anderen, so gut geschulten Jungen zu

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