Die Herrin der Kelten
Fußboden eingestürzt war, waren die ersten Warnzeichen dünne Risse gewesen, die sich an dieser Stelle in dem Verputz zwischen den Kacheln gezeigt hatten. Der Bauarbeiter, der herbeigerufen worden war, um die Reparaturen vorzunehmen, hatte gute Arbeit geleistet, aber er hatte mehr als einmal gesagt, dass es dringend notwendig wäre, das ganze Gebäude abzureißen und noch einmal von Grund auf neu zu erbauen, um die Sache richtig zu machen. Er hatte auf die gravierenden Mängel an den Fundamenten hingewiesen und auf die Unmöglichkeit, die Stützpfeiler des Hypokaustums fest in weichem, nachgiebigem Erdboden zu verankern. Seine Voraussage - in Godomos Beisein geäußert - hatte gelautet, dass die Schäden, die er ausgebessert hatte, noch vor dem Winter erneut wieder auftreten würden.
Er hatte Recht behalten. Ein einzelner klaffender Riss, ungefähr einen halben Finger breit, zog sich in einer zickzackförmigen Linie von der einen Wand über die Ecke zur anderen hinüber. Bán fuhr prüfend mit der Fingerspitze daran entlang, dann löste er ein Stück Putz von der Stelle ab, wo Fußboden und Wand aneinander stießen, um den größeren Spalt darunter freizulegen. Der Türvorhang raschelte leise, und gestiefelte Füße trotteten schweren Schritts über die Fliesen hinter ihm. Er drehte sich um und sah Braxus auf der Türschwelle stehen und ihn beobachten. Wenn der Aufseher den Spalt nicht bereits bemerkt hatte, dann konnte er ihn jetzt auf keinen Fall mehr übersehen. Bán zeigte schweigend auf die Wand. Der Thraker nickte, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte wieder hinaus in den Regen.
Bán rannte hinter ihm her und holte ihn beim Eingang zum Hypokaustum ein, wo Iccius vor der Öffnung kniete. Bán stellte sich Braxus in den Weg.
»Du kannst ihn nicht unter den Fußboden schicken. Es ist zu gefährlich.«
»Es ist keineswegs gefährlich.«
»Lass ihn wenigstens mit einem Seil um die Taille hineinkriechen, damit er ihm folgen und wieder hinausfinden kann, falls er sich verirrt.«
Das war die Quelle von Iccius’ schlimmsten Albträumen gewesen: die endlos lange Zeit, die er damit verbracht hatte, sich in vollkommener Dunkelheit durch die Hohlräume zu schlängeln, unfähig, wieder aus dem Labyrinth herauszufinden. Später hatten sie erfahren, dass Braxus die Öffnung für eine Weile verschlossen hatte und der Junge auf seiner verzweifelten Suche nach Luft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit daran vorbeigekrochen war.
»Und zulassen, dass er das Seil um die Säulen wickelt und den gesamten Fußboden über seinem Kopf zum Einsturz bringt? Keinesfalls. Amminios würde es Leid tun, einen so willigen Sklaven zu verlieren.« Seine Worte waren ätzend, dazu gedacht, zu verletzen. Was immer Iccius auch getan oder nicht getan hatte, für Braxus war die Sache offenbar noch lange nicht vergessen. Der Mann war der Inbegriff der Bösartigkeit, und Iccius’ Panzer der Hartnäckigkeit war gefährlich dünn. Bán öffnete den Mund, um eine andere Möglichkeit vorzuschlagen - irgendeine Alternative -, und schloss ihn dann wieder, als Iccius die Hand ausstreckte, um ihn am Arm zu berühren.
»Lass nur. Spar dir die Mühe. Es ist die Sache nicht wert. Ich werde reingehen.« Er sprach Gallisch, weil Braxus dabei war und weil es ihnen verboten war, sich in einer anderen Sprache zu verständigen. Und dennoch, als er sich bückte und sich durch die Lücke zwängte, murmelte er: »Bete für mich«, und zwar auf Eceni. Bán tat es, auf Eceni, stumm. Braxus feixte höhnisch und befahl ihm, wieder zu den Pferden zurückzukehren.
Der Morgen verging quälend langsam. Der Regen ließ nach und hörte schließlich ganz auf, verdrängt von einem aus Südosten wehenden Wind. Im Stall wurden die Pferde gefüttert und gestriegelt. Wenig später traf der erste Schwung von Zweijährigen aus dem Norden ein, begleitet von dem kleinen, drahtigen dakischen Sklaven mit dem unaussprechlichen Namen, der für die Pferde auf Amminios’ drittem und größtem Gut verantwortlich war, das im Süden in der Nähe von Augustobona lag, im Herzen der Ländereien seiner Mutter. Bán hatte den Mann schon bald Fuchs genannt, wegen der Farbe seines Haares. Nicht lange danach hatte Fuchs in seinem gebrochenen Gallisch begonnen, von Bán als seinem Sohn zu sprechen.
Sie begrüßten einander herzlich und tauschten Neuigkeiten über die Gestüte aus. Die neuen Pferde wurden auf ihren Gesundheitszustand untersucht, gefüttert und getränkt und
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