Die Herrin der Kelten
darum bitten, nur dem Stolz eines anderen zuliebe ihr Leben zu opfern. Wir gehen wieder nach Hause. Schick mir eine Nachricht, wenn du gesiegt hast. Wenn du sterben solltest, werde ich das schon von ganz allein erfahren!«
Es war ihr Zorn, der Breaca während des harten zweitägigen Ritts und der anschließenden Überfahrt über den ins Meer mündenden Fluss Kraft gegeben hatte, und dieser Zorn hielt sie auch jetzt noch aufrecht. Sie stand neben der grauen Stute auf einem langen, flachen Abhang und blickte in ein leeres Tal hinunter. Hinter ihr warteten die Ehrengarde von Mona und siebzig weitere Krieger und außerdem die zweihundert Krieger von den Trinovantern, verstärkt durch Caradocs Ordovizer. Insgesamt waren sie fast tausend Mann, also eine nicht unbedeutende Streitmacht, und dennoch - im Vergleich zu den Tausenden und Abertausenden, die den gegenüberliegenden Hang füllten, waren sie eine verschwindend kleine Truppe. Selbst jene Speerkämpfer, die erst kürzlich Caradoc die Treue geschworen hatten, waren jetzt gegen sie aufmarschiert; sie hatten noch nicht einmal einen halben Tag gebraucht, um ihrem Eid abzuschwören und ins feindliche Lager überzuwechseln. Die Atrebater trugen Umhänge von dem Braun von winterlichem Farnkraut; die Dubonni, die die linke Flanke bildeten, trugen rostbraune Umhänge mit grauen Sprenkeln, eine Tarnfarbe, die an Flechten auf Felsen erinnerte. In der Mitte zwischen den beiden Kriegerverbänden konnte Breaca einen einzelnen ginsterblütengelben Farbtupfer ausmachen. Über den Abgrund hinweg, der sie trennte, konnte sie Amminios’ triumphierendes Lachen hören.
Die anderen beiden Söhne des Sonnenhunds standen rechts und links von ihr. Zu demjenigen auf zu Linken sagte sie: »Du wolltest ja unbedingt einen Krieg, und jetzt hast du ihn bekommen. Bist du nun zufrieden?«
»Wir werden jetzt noch nicht gegen sie kämpfen, der Winter ist schon zu nahe. Dieser Aufmarsch dient vorläufig nur dem Zweck, Eindruck zu schinden. Sie wissen ganz genau, dass wir vor dem Frühjahr nichts unternehmen können.« Caradoc ritt ein graubraunes Pferd, sehr ähnlich jenem, das Bán ihm damals geschenkt hatte. Der weiße Umhang, den er trug, fiel bis über die Hinterbacken des Tieres, durchtränkt von dem Schlamm und dem Schweiß des harten Ritts. Er war ebenso wütend wie Breaca, und er unternahm auch keine Anstrengung, diese Wut zu verbergen. Schmallippig erwiderte er: »Ich bitte vielmals um Verzeihung. Die Schuld lag bei mir. Bist du jetzt zufrieden?«
Zu ihrer Rechten sagte Togodubnos, der am meisten verloren hatte und am besten damit fertig geworden war: »Hört auf damit! Niemanden trifft hier irgendeine Schuld. Wir haben es versucht, und wir haben verloren. Von dem Moment an, in dem Amminios mein Angebot ablehnte und nach Süden ritt, war der Rest der Ereignisse unvermeidlich. Als er versucht hat, die südlichen Gebiete von Caradocs Ordovizern zurückzuerobern, hat er ein paar Männer verloren, dadurch haben wir im Frühjahr ein paar Krieger weniger zu bekämpfen. Das ist immerhin schon mal ein Vorteil.« Er starrte über das schmale Tal hinweg auf die Reihen von feindlichen Speerkämpfern, die sich auf dem gegenüberliegenden Abhang drängten, und fügte hinzu: »Überlegt doch mal; es könnte sehr viel schlimmer sein. Amminios hätte auch geradewegs nach Rom reisen und den neuen Kaiser bitten können, ihm die Legionen zu überlassen, um mit ihrer Hilfe sein Land zurückzuerobern.«
»Wie kommst du auf die Idee, dass er das nicht noch tun wird?« Breaca räusperte sich und spuckte auf den Boden. Und dennoch - als sie dort in dem kalten Regen und dem Wind stand und einer völlig ungewissen Zukunft ins Auge sah, begann ihr Zorn allmählich zu schwinden. Ohne diesen Zorn aber war sie innerlich leer, hungrig und durchgefroren, und nichts von alledem spielte nunmehr eine auch nur annähernd so große Rolle wie die dringende Notwendigkeit, ein festes Bündnis zu schmieden, aus dem sich eine Streitmacht entwickeln würde, die kämpfen und siegen konnte. Breaca seufzte, und zum ersten Mal seit ihrem überstürzten Aufbruch aus der Residenz und ihrem verzweifelten Wettrennen mit Amminios war die Kriegerin wieder im Einklang mit der Frau in ihr. Sie sagte zu ihren beiden Gefährten: »Der Winter steht schon vor der Tür. Selbst Caligula ist nicht so wahnsinnig, dass er seine Truppen jetzt noch über den Ozean schicken würde. Wir haben also einen ganzen Winter, um uns auf den Krieg vorzubereiten.
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