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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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das Gefühl hatte, über strömendes Wasser zu schreiten, ein spiegelglattes Meer, in dessen Mitte Neptun schwamm. Die Wände rechts und links waren mit einem einzelnen schmalen Fries versehen, der sich über die gesamte Länge des Korridors erstreckte. Hier erschlug Achilles Hektor, bezwang Cäsar Vercingetorix, vernichtete Octavian Antonius. Bán konnte jedoch immer nur einen kurzen Blick auf die dargestellten Schlachtszenen erhaschen, sie glitten zu schnell an ihm vorbei, zerteilt durch die Köpfe der im Eilschritt neben ihm hermarschierenden Wachen.
    Sie gelangten zu einer Flügeltür aus Eberesche, in die der Pegasus und der Keiler eingeschnitzt waren, Wahrzeichen der XIV. und der XX. Legion. Die Wachen blieben stehen, nicht ganz genau im Gleichschritt. Der Tribun der Prätorianischen Leibwache salutierte. Niemand sprach. Es war so still, dass Bán fast geglaubt hätte, er wäre plötzlich taub geworden, wäre da nicht das leise Plätschern von Wasser von einem Springbrunnen irgendwo in der Nähe gewesen und das gedämpfte Gackern zweier junger Hähne, die in der Welt jenseits der Mauern ihren Machtkampf austrugen.
    Der Tribun klopfte einmal an. Die Tür schwang auf. Der Raum dahinter war ganz anders als diejenigen, durch die sie bisher gekommen waren. Hier war die Zurückhaltung zu Gunsten einer Opulenz aufgegeben worden, die sicherlich mehr nach Amminios’ Geschmack gewesen wäre. Die Wände waren mit Seidenteppichen in Scharlachrot und Gold geschmückt. Der Springbrunnen, den Bán von draußen gehört hatte, plätscherte in der gegenüberliegenden Ecke des Raums und spie sein Wasser in ein Becken mit goldenen Delfinen. An der Nordwand war ein hohes Podium errichtet worden, und in die Armlehnen des Stuhls, der darauf stand, waren Löwen eingeschnitzt und in die Rückenlehne ein großer Adler.
    Der Kaiser trug ein purpurrotes Gewand und den goldenen Brustharnisch mit den reliefartig eingeprägten Szenen von Alexanders Siegen auf der Vorderseite. Acht Männer der Prätorianischen Leibgarde, in Scharlachrot und blank polierter Rüstung, standen paarweise zu beiden Seiten des Podiums. Ein anderer Mann, der wie ein Grieche aussah, hatte offenbar die Erlaubnis erhalten, sich zu setzen. Hinter ihnen und unterhalb der rechten Hand des Kaisers stand Galba, und links von ihm, reglos und angespannt, Corvus.
    Sie führten Bán zum Fuße des Podiums, so dass er gezwungen sein würde, den Hals zu recken, wenn er Gaius richtig sehen wollte. Niemand hatte ihm jemals gesagt, wie man sich in Gegenwart eines Kaisers verhielt, wie die korrekte Form der Anrede war oder ob es erlaubt war, ihm direkt in die Augen zu sehen. Bán starrte auf die Beine des Stuhls. Sie endeten in geschnitzten Leopardentatzen mit ausgestreckten Krallen. Er wagte es nicht, aufzublicken.
    »Das ist der Britannier? Die Geisel, die für Cäsar kämpfen möchte, so wie die Gallier es für Unseren hochverehrten Vorfahren gleichen Namens getan haben?« Die Stimme des Kaisers war tiefer und weniger schneidend, als sein Ruf vermuten ließ, mehr die eines Erwachsenen als die eines verwöhnten Kindes.
    Corvus antwortete ihm. »Ja, Euer Majestät. Er stammt aus dem Volk der Eceni, die Land im Norden jenes Gebiets besitzen, das dem verstorbenen Cunobelinus gehörte.«
    Der Kaiser war anscheinend mit den politischen Gegebenheiten in Britannien vertraut. Er zog eine Braue hoch und nickte. »Sein Name?«
    »Euer Majestät, er hat bisher noch keinen römischen Namen; den wird er erst bekommen, wenn er zu einer Truppeneinheit abkommandiert wird. In seinem Heimatland nennt man ihn Bán. Das bedeutet ›Weiß‹ in der Sprache Irlands, der Insel, auf der er empfangen wurde. Seine Mutter hatte in der Nacht seiner Geburt einen Traum von einem weißköpfigen Pferd, und er wurde danach benannt.«
    Bán starrte weiter auf die Füße des Leoparden. In Gedanken zählte er wieder und wieder die Krallen. Erst zweimal in seinem bisherigen Leben hatte er jemanden über den Gebärtraum seiner Mutter sprechen gehört; einmal hatte sie ihm selbst davon erzählt, und zwar in dem Sommer nach Hails Geburt, als er schon seinen eigenen Pferdetraum gehabt hatte, und das andere Mal hatte die ehemalige ältere Großmutter davon gesprochen, kurz bevor sie gestorben war. Nur Macha konnte Corvus davon erzählt haben. Oder vielleicht war es ja auch Luain mac Calma gewesen, der zu viel wusste und zu freimütig sprach... Irland, wo er empfangen wurde … Das war allerdings neu für Bán, das hatte

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