Die Herrin der Kelten
Aufruf unverzüglich folgen.«
»Selbst jetzt noch, nachdem Breaca und deine Eltern tot sind?«
»Jetzt erst recht.«
»Wenn Caradoc und Togodubnos beide dort sind, wirst du endlich deine Chance bekommen, dich an den Söhnen des Sonnenhunds zu rächen.«
»Ich weiß. Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb ich mitgehen muss.«
Sie saßen eine Weile schweigend da. Es war schon spät in der Nacht. Die Welt jenseits von Corvus’ Unterkunft lag in tiefem Schlaf. Die Öllampen verlöschten eine nach der anderen, bis nur noch die Letzte flackernd gegen die Dunkelheit ankämpfte. Corvus legte seine Hand auf Báns. »Wenn du im Wein schon keine Antworten gefunden hast, wird dir die Nacht erst recht keine geben können. Wir sollten jetzt besser schlafen.«
Die Hand unter der seinen drehte sich herum, und das Lächeln, das sich jetzt auf Báns Gesicht ausbreitete, war eines, das Corvus kannte. »Nur schlafen?«, sagte Bán, und noch bevor Corvus antworten konnte, verlöschte auch die letzte Lampe, doch sie zogen es vor, sie nicht wieder anzuzünden, sondern sich ihren Weg zum Bett in der mitfühlenden Dunkelheit zu ertasten.
Schließlich schliefen sie ein, und als sie am nächsten Morgen aufwachten, war der innere Konflikt, der Bán zu schaffen machte, noch immer nicht gelöst. Es würde auch niemals eine Lösung dafür geben, das hatte er inzwischen erkannt. Er lebte als ein zwiegespaltener Mensch; der eine Teil von ihm war ein Schatten, der in der Vergangenheit lebte, der andere Teil liebte und hatte Eide abgelegt, die ihn an die Gegenwart banden. Er würde wohl oder übel lernen müssen, mit seiner Dualität zu leben, sonst würde er eines Tages daran zu Grunde gehen.
In den Nächten danach hatte Bán besser geschlafen, wenn auch nicht so gut, wie er hätte schlafen sollen, und als dann endlich der Befehl zur Einschiffung gekommen war, war er zusammen mit den anderen an Bord gegangen, während er Krähe die Gangway hinauf und unter Deck geführt und dem Pferd eine kurze Überfahrt und schönes Wetter versprochen hatte.
Beides sollte sich als Lüge erweisen; die Überfahrt war die Hölle gewesen und hatte vom Morgengrauen bis lange nach Mitternacht gedauert. Fast einen ganzen Tag lang hatte Bán an Deck gestanden, sich unentwegt erbrochen und sich dabei gewünscht, er wäre tot. Sie waren gerade gegen die Strömung gerudert, die Ruderer waren bereits völlig erschöpft gewesen, und die See und der Sturm hatten jede ihrer Bewegungen bekämpft, als plötzlich eine Sternschnuppe über dem Bug ihres Schiffs aufleuchtete und ihnen den Weg zum Land wies. Bán hatte ein Dankgebet an Nemain gesandt, deren Nacht dies war, und an Jupiter, der über den Himmel herrschte, weil sie ihnen ein solch deutliches Zeichen geschickt hatten. Später, nachdem sie von Bord gegangen waren, hatte er dann gehört, dass Civilis und Rufus und die Männer der Zwanzigsten und der Vierzehnten, die von der Rheinmündung aus gesegelt waren, die Überfahrt in nur wenigen Stunden geschafft und bei strahlendem Sonnenschein und spiegelglatter See an der Küste angelegt hatten.
Im Süden verbrachte die Ala V Gallorum zwei Tage unter dem Kommando von Vespasian, Legat der Legio Secunda Augusta, um Vectis zu bezwingen, die Insel, die vor der Küste lag und die sich eigentlich schon für Rom hätte aussprechen sollen. Danach waren sie acht Tage lang ohne Unterbrechung marschiert, um den ins Meer mündenden Fluss zu erreichen, wo sich die Stämme zur Verteidigung des Landes versammelten. Es ging das Gerücht um, dass Togodubnos und Caradoc eine Armee von Verbündeten aufgestellt hatten, die noch größer war als diejenige, die damals gegen Cäsar gekämpft hatte. Die Klatschmäuler machten sich allerdings nicht die Mühe, die einzelnen Stämme zu benennen, die sich zu diesem Bund zusammengeschlossen hatten, doch tief in seinem Herzen wusste Bán, dass auch die Eceni dabei sein würden. Er sprach mit Krähe auf Gallisch und erinnerte sich daran, dass er Römer war. Der Konflikt lastete jetzt noch schwerer auf seiner Seele als zuvor.
An der Spitze der Kolonne ertönte ein Hornsignal. Die Kavallerietruppe hielt geschlossen an. Auf ihrer Linken tat die erste Kohorte der Legio Secunda Augusta das Gleiche. Auf weitere Kommandos hin zerstreuten sie sich, die Kavallerie nach rechts, die Legionäre der ersten beiden Kohorten nach links, um ihre Zelte außer Sichtweite der Verwundeten aufzustellen und sich auf den Kampf vorzubereiten. Andere, die weiter hinten
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