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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Kleidung, aber sie achtete auf Bequemlichkeit und Schlichtheit – alles andere wäre auf den staubigen Wegen unsinnig gewesen. Der einzige Nachteil, den ihr Reiten hatte, war, dass Berengar auf diese Weise häufig ihre Gesellschaft suchen konnte. Sie konnte sich in der Vorhut, im Hauptfeld oder dem nachrückenden Versorgungstrupp aufhalten, von irgendwoher tauchte dieser Mann immer auf und belästigte sie mit seiner Gegenwart. Oh, er redete mit ihr über ganz normale Dinge, über Marschrouten, das Wetter oder die Verpflegung, erzählte ihr von seiner Heimat Friaul, von Verona und der kuriosen Lagunenstadt Venedig, die auf Holzpflöcken gebaut war. Aber sie hätte schon äußerst unbedarft sein müssen, um nicht zu merken, wie er sie dabei aus seinen kleinen, arglistigen Augen anstarrte, und auch der anzügliche Blick, als er ihre Teilnahme an dem Feldzug genehmigt hatte, war ihr nicht entgangen.
    Nach fünf Tagen hatte das Heer die südliche Grenze des Patrimoniums erreicht, ohne auch nur einen einzigen Sarazenen gesehen zu haben. Die Späher, die Berengar in alle Himmelsrichtungen ausgesandt hatte, meldeten, dass der Emir seine willkürlichen Raubzüge eingestellt hatte und sich nun ganz auf die Eroberung der Stadt Capua konzentrierte. An den Tagen versuchte Marocia in den langen, qualvollen Gesprächen mit dem König etwas über seine Absichten herauszubekommen, und in den Nächten grübelte sie darüber nach, welches Bild sich aus den spärlichen Informationen ergab. In diesem ewigen Kreislauf ihrer Gedanken gab es keine Ablenkung, bis zu jenem Abend, an dem sie allein an einem der Lagerfeuer saß.
    Die Dunkelheit war schon vor Stunden hereingebrochen, und die aufsprühenden Funken des Feuers wetteiferten mit den Millionen Glühwürmchen der Campagna um Marocias Aufmerksamkeit. Das Lager schlief. Auch Damiane, die die Strapazen des Feldzuges weit weniger gut als Marocia vertrug, hatte sich schon zurückgezogen. Doch Marocia war froh, gerade nicht mit dem ewigen Gejammer ihrer Zofe behelligt zu werden, die sich geradezu unnatürlich stark nach Spoleto zurücksehnte – oder nach irgendjemandem, den sie dort hatte zurücklassen müssen. Die milde Abendluft, die Stille, das knisternde Feuer taten Marocia gut. Nur gelegentlich sah sie in der Ferne die Schatten der Wachen im Licht der Fackeln zucken.
    Doch dann hörte sie plötzlich, wie sich Schritte näherten, plumpe Schritte, die sie von irgendwoher kannte. Noch bevor Marocia erraten konnte, wer die Person war, tauchte ihr Umriss im Lichtkegel des Feuers auf.
    »Leon!«, stieß Marocia hervor und fiel ihrem Bruder in die Arme. Sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen und wenig an ihn gedacht, aber jetzt, da er mit seinen Pausbacken und hängenden Schultern vor ihr stand, war sie glücklich. Doch sie bemerkte auch eine Veränderung an ihm, eine Art von Reife, die ihr neu an ihm war.
    »Was machst du hier?«, fragte sie und zog ihn sanft neben sich an das Lagerfeuer.
    »Ich . . . ich war mir nicht sicher, ob du mich sehen willst. Darum habe ich die letzten Tage gezögert, dich anzusprechen.«
    »Was redest du denn da für ein Zeug«, mahnte sie ihn wie ein unartiges Kind. »Aber ich meinte, was du überhaupt auf dem Feldzug machst?«
    »Ich bin seit einigen Monaten Kommandant der Stadtmiliz. Ich wollte es eigentlich nicht werden, aber . . . Mutter wollte es so.«
    Marocia seufzte und blickte ins Feuer. Leon als
superista
! »Ich verstehe. Armer Kerl.«
    Leon straffte die Schultern. »
So
schlimm ist es nun auch wieder nicht, oder glaubst du etwa, ich wäre nicht imstande, das Amt auszufüllen?«
    »Nein, ich . . .«
    »Also bitte. Dann höre auf, mich zu bemitleiden.«
    Marocia begriff, dass sie einen Fehler gemacht hatte, und bat um Entschuldigung. Eine Weile sprachen die beiden nicht miteinander und blickten in die rote Glut vor ihnen. Die Luft kühlte jetzt rasch ab. Marocia legte einen Holzscheit nach, und Leon warf seinen Umhang um ihre Schultern. Dankbar, fast mütterlich, sah sie ihn an, sah, dass er fror, wie er schon als Kind ständig gefroren hatte. Anders als damals jedoch versuchte er es heute zu verbergen. Der Stolz der Familie schlug also auch bei ihm durch.
    Dann sagte er: »Vater liegt im Sterben.«
    Marocia reagierte kaum sichtbar. Sie schloss die Augen für einen Moment, dann blickte sie Leon müde an. »Schon lange«, erwiderte sie. »Seit dem Fest damals bei Ageltrudis ist er jeden Tag ein wenig mehr gestorben.«
    Leon schluckte. »Er . . . er hat

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