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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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mir kürzlich ein Versprechen abgenommen«, hauchte er heiser. »Ich soll dich beschützen – immer, egal, was du vorhast. Darum bin ich mit auf diesen Feldzug gegangen.«
    Marocias erster Impuls war, kurz aufzulachen, doch sie schaffte es noch rechtzeitig, ihn zu unterdrücken. Wie könnte Leon sie wohl beschützen, er, den sie in ihrer Kindheit stets mit Leichtigkeit übertölpelt hatte, den sie in allen Spielen geschlagen und auf jedem Gebiet überflügelt hatte? Der Gedanke, seines Schutzes zu bedürfen, kam ihr absurd vor. Doch Leon war es sichtlich ernst damit, und Marocia spürte zum ersten Mal so etwas wie ein Band zwischen ihr und ihm, das über bloße Begriffe wie Familie und Bruder hinausging.
    »Danke«, sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich kann momentan jeden Schutz gebrauchen, den ich kriegen kann.«
    Sie tranken Wein und redeten noch eine ganze Stunde weiter. Marocia war von dem neuartigen Pflichtgefühl ihres Bruders begeistert, Leon von den hochfliegenden Visionen Marocias von einem ganz anderen Italien, einem starken Land. Und ohne dass sie es bemerkten, geriet diese Stunde zu ihrer ersten wirklichen Familienfeier überhaupt. So nahe waren die Geschwister sich noch nie gekommen.

    Als Marocia müde vom Tag, aber glücklich über die Begegnung mit Leon an ihrem Zelt ankam, waren alle Feuer erloschen. Eine einzelne Kerze neben ihrem Bett kämpfte vergebens gegen die Schwärze der Neumondnacht an. Damiane hatte ihr einen Krug mit frischem Wasser bereitgestellt, damit sie sich den Staub der Campagna abwaschen konnte, und das Nachtkleid sorgfältig auf dem Bett ausgebreitet. Marocia war gerade im Begriff, ihre Kleidung aufzuknöpfen, als der König aus einer dunklen Ecke trat.
    Sie schreckte kurz auf, fing sich aber schnell und bellte ihn an: »Was habt Ihr hier zu suchen? Das ist mein Zelt.«
    Er grinste. »Aber das weiß ich doch. Wäre es nicht Euer Zelt, schöne Herzogin, würde ich jetzt nicht hier sein.«
    »Diese geistreiche Bemerkung werde ich gerne meinem Gemahl weitererzählen.«
    »Ach, jetzt ist er plötzlich wieder gut genug, um von Euch in Anspruch genommen zu werden. Mir schien, Ihr haltet wenig von ihm.« Er trat dicht an sie heran und versuchte, ihre Handgelenke zu fassen, aber sie konnte sie seinem Griff entziehen.
    »Das heißt noch lange nicht, dass ich von Euch mehr halte«, fauchte sie. Darüber lachte er nur tief und gedehnt, dann packte er ihre Schultern. Seinen kräftigen Armen und dem schweren Körper hatte sie nichts entgegenzusetzen, und die Genugtuung, zu schreien und damit Angst zu zeigen, wollte sie ihm nicht geben. Also sagte sie langsam und eisig: »Steckt Eure Zunge nur in meinen Mund, dann werdet Ihr sie heute zum letzten Mal benutzt haben.«
    »Könige beißen zurück«, knurrte er.
    »Schön, dann ist die Welt morgen um zwei Stimmen stiller geworden.«
    Er brauchte noch volle drei Atemzüge, ehe er sie losließ. »Frauen wie dich gibt es viel zu selten. Ja, wirklich, das meine ich ernst. Diese Frechheit, dieser Zorn, diese Spannung. Herrlich! Ich
liebe
es, deinesgleichen am Ende doch noch zu bekommen.« Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, verließ er das Zelt.
    Nachdem er gegangen war, konnte Marocia sich eine Weile nicht von der Stelle bewegen, und als es ihr schließlich doch gelang, trank sie mit zittrigen Händen den halben Wasserkrug leer.

    Capua war von den Römern als Handels- und Vergnügungsort für Patrizier erbaut und deshalb nie mit einer Stadtmauer befestigt worden. Auch Goten und Langobarden hatten nur halbherzige Verteidigungsanlagen errichtet, und so waren einige aufgeschüttete Wälle und verstärkte Holzpalisaden alles, was die Hauptstadt des Fürstentums den Sarazenen entgegensetzen konnte. Dennoch hatte sie sich fast sechs Wochen erfolgreich gegen die Übermacht der Feinde halten können, wenn auch unter erheblichen Verlusten.
    Als das königlich-päpstliche Heer eintraf, fand es eine Trümmerlandschaft vor, aber kaum Sarazenen. Die wenigen Ungläubigen, die man aufgriff, waren Überläufer, meist halbwüchsige Knaben, die nichts Erschreckendes an sich hatten und fast ein wenig lächerlich mit ihren sackartigen Rundmänteln und mannshohen Krummsäbeln aussahen. Von ihnen erfuhr man, was die königlichen Späher bald bestätigten: Die Hauptmacht des Emirs hatte sich, als sie der heranrückenden Streitmacht gewahr wurde, auf ihr Stammterritorium zurückgezogen.
    »Wir werden nur zwei Tage hier rasten«, bestimmte Berengar und

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