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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Uferhäuser, lauerten die Gegner und warteten. Sie warteten ebenso wie Liudprand und die Soldaten der Burg, wie Marocia und wie er selbst, auf Nachrichten aus dem Norden und dem Süden Italiens. Dort schlugen die kaiserlichen Heere entscheidende Schlachten, und je nachdem, wie diese ausgingen, würden sie auch über Leben und Tod der hiesigen Kontrahenten entscheiden.
    »Eine äußerst subtile Methode, mich ins Grab zu bringen«, rief Liudprand und stellte sich noch näher an das Feuer heran. »Wollt Ihr, dass ich wie Lots Frau auf ewig erstarre?«
    Suidger schloss den Laden und schmunzelte. »Verzeiht, Exzellenz. Dieses Quartier entspricht wirklich in keiner Weise Eurem Rang. Darf ich Euch im Namen Marocias eines ihrer Gemächer überlassen? Sie besitzen allen Komfort.«
    Liudprands Finger krampften sich derart fest um den Knauf seines Stocks, dass die Knöchel bleich wurden, und sein Kinn bewegte sich mit der Geschwindigkeit seiner Gedanken hin und her.
    »Ihr wagt es?«, schimpfte er schließlich. »Sie ist eine Papsthure und ein untreues Weib. Sie behext Männer, damit sie das tun, was sie will. Wenn sie dann doch einmal verheiratet ist, sterben ihre Gatten seltsamerweise wie die Fliegen. Ihr Leib ist verflucht. Ihre Kinder sind Monstren, und noch ihre Kindeskinder tragen die Verderbnis in ihrem Blut. Seht ihn Euch doch an, den Papst, den Verräter am Kaiser und an Gott. Eine Ausgeburt der Hölle ist sie, jawohl, und ich hacke mir eher meine frierenden Hände ab, als in einer ihrer Höhlen zu wohnen.«
    Suidger schüttelte kaum sichtbar den Kopf. Liudprands moralisches Urteil über Marocia war längst bekannt, und vom rechtlichen Standpunkt aus betrachtet waren solche Vorwürfe nichtig. Aber der Bischof war dafür bekannt, dass er Moral und Gesetz gerne durcheinander warf, und es war keiner hier, der über seinen vom Kaiser verliehenen Gerichtsvollmachten stand.
    »Ich muss um Vergebung bitten, Exzellenz«, sagte Suidger und verneigte sich leicht. »Mir hätte bewusst sein sollen, dass Teppiche und größere Kamine bereits eine Versuchung des Bösen für Euch darstellen. Ich glaube, dann ist für heute alles besprochen.« Er verneigte sich nochmals, jedoch tiefer, und ging hinaus.
    Liudprand rührte sich nicht und starrte zur Tür, als erwarte er, dass Suidger zurückkehre. Nach einer Weile gespannter Aufmerksamkeit versenkte er seinen Schildkrötenkopf ganz langsam wieder in der schwarzen Kutte. Er humpelte zum Sekretär, griff sich einen Stuhl und zog ihn nahe an das Kaminfeuer. Dann ging er nochmals zum Sekretär, holte Suidgers Bericht, setzte sich nieder, legte den Stapel auf seinen dünnen Knien ab und beugte sich darüber. Seine Lippen formten zitternd die Worte nach. »Ein Leichnam vor Gericht.«

1
    Es war der achte Tag im elften Monat Anno Domini 896, und eine päpstliche Order hatte Marocia dazu verholfen, erstmals die heimische Villa Sirene verlassen zu dürfen. Mit ihren sechs Jahren fühlte sie sich alt genug dafür. Nur weil ihr Zwillingsbruder Leon bei jedem Windstoß eine triefende Nase und bei jedem Sonnenstrahl das Gefühl bekam, seine Haut verbrenne, war sie mit ihm in dem Haus in der Via Lata eingesperrt. Täglich dieselben Menschen, dieselben Gegenstände, dieselben Geräusche und Düfte. Sie kannte die Welt nur aus den Erzählungen ihrer Eltern. Aber wie viel aufregender war es, hier in der düsteren Kirche des Lateran zu stehen, dem jahrhundertealten Sitz der Päpste, und die umherziehenden Weihrauchschwaden zu betrachten, den Atem der Leute in die kalte Luft aufsteigen zu sehen, die herrlichen Gewänder rascheln zu hören, Dinge also wahrzunehmen, für die niemand sonst sich zu interessieren schien. Nicht einmal der von den mächtigen steinernen Gewölben rieselnde Sandstaub und das gelegentliche Knarren der Turmbalken fanden bei den Versammelten Beachtung, jeder achtete nur auf das, was unter dem großen goldenen Kreuz geschah, oder besser – nicht geschah.
    Vor dem Altar stand, bewegungslos wie eine Statue, Papst Stephan VI., flankiert von Kardinal Sergius und von Johannes, dem hübschen, nicht einmal fünfundzwanzigjährigen Erzbischof von Ravenna. Die drei Dutzend Edlen von Rom, die sich in vollem Ornat im Kirchenschiff versammelt hatten, blickten schon seit einer Weile mit gespannter Erwartung auf das schweigende Trio. Das leise Klirren ihrer bronzenen Amulette, den Abzeichen weltlicher Würden, war, zusammen mit dem Gewisper der Leute, die einzige Unterbrechung der Stille.
    »Wir

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