Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
teilzunehmen, und da ihr klar war, dass Alberic dies nicht genehmigen würde, fragte sie ihn erst gar nicht. Die Versammlung der Landesherren tagte im Lateran, in jenen Gemächern, in denen einst Sergius gelebt hatte und gestorben war und die nun Johannes bewohnte. Glücklicherweise war die Einrichtung vollständig ausgetauscht worden, so dass kein Teppich und keine Kommode an Sergius erinnerte.
Die Besprechung hatte gerade begonnen, als Marocia eintrat. Sie war die einzige Frau, und ihr Erscheinen löste bei den Anwesenden eine kurze Verwirrung aus, vor allem natürlich bei Alberic, der gar nicht wusste, ob er etwas sagen sollte, und wenn ja, was. Doch er kam mit seinen Überlegungen nicht schnell genug voran.
»Welche Überraschung!«, begrüßte Berengar sie. Marocias Knicks war formvollendet und ihr Lächeln bezaubernd. Er fuhr sich über die Lippen und grinste breit, als er meinte: »Weibliche Anmut kann unserer ernsten Versammlung nur gut tun. Ihr habt doch nichts dagegen, Herzog?«
Berengar wartete die Antwort nicht ab, sondern geleitete Marocia zu einem etwas abseits stehenden Sessel. Danach konzentrierten sich alle wieder auf die vor ihnen liegende Karte.
»Ich bin entschlossen«, schnaubte Berengar, »dieses heidnische Volk noch in diesem Jahr von unserem italischen Boden zu verjagen, ein für allemal. Ich persönlich werde mich zusammen mit dem Heiligen Vater an die Spitze eines Heeres stellen. Wir ziehen nach Süden, jagen die Ungläubigen aus Capua und aus ihrer Kolonie an der Mündung des Garigliano. Aber vielleicht reichen meine Kräfte und die des Patrimoniums nicht aus, um die Sarazenen vollständig zu besiegen. Wir erwarten daher die Unterstützung der anderen Länder. Jede Seele wird in diesem Kampf gebraucht.«
Von allen Seiten kamen zustimmendes Gemurmel und Kopfnicken.
»Ihr, Herzog Alberic«, fuhr Berengar fort, »werdet also Ende August von Spoleto aus nach Benevent vorstoßen. Meine Truppen und die des Patrimoniums nehmen von Rom aus den direkten Weg nach Süden; Apulien und Salerno entsenden Hilfseinheiten nordwärts. Wir vereinigen unsere Heere Mitte September vor Capua und provozieren die Entscheidung.«
Eine wirre Debatte über Nahrungsmittelvorräte, Pferde, Zeitmangel und sonstige Hindernisse brach aus, die Marocia Gelegenheit zum Nachdenken gab. Sie hatte Berengars Rede aufmerksam verfolgt, aber nur ein Aspekt erschien ihr wirklich wichtig. Berengar und Johannes waren auf diesen Feldzug wohl nicht deshalb so erpicht, weil sie Ungläubige jagen konnten, sondern weil sich ihnen die Gelegenheit bot, ihre Heere ganz legal nach Capua zu führen, in die Hauptstadt ihres Widersachers von gestern. Wer konnte wissen, ob sie sich dort nicht seiner entledigen wollten?
»Ich werde mich dem Feldzug anschließen«, rief Marocia von ihrem Sessel aus. Die Stille nach einem Glockenschlag zur Andacht hätte nicht vollkommener sein können. Alle drehten sich nach ihr um.
»Ihr?«, brach Berengar das Schweigen. »Zu welchem Zweck?«
»Euer Gnaden«, antwortete sie lieblich, »sagtet Ihr nicht eben noch, es werde jede Seele gebraucht?«
»Hast du den Verstand verloren?«, rief Alberic dazwischen, nachdem er sich vom ersten Schreck erholt hatte. »Du wirst auf der Stelle abreisen und in Spoleto auf mich warten, so wie alle Frauen auf ihre Männer warten.«
»
Ich«
, schrie sie, »warte in unserer Ehe nur auf
eines
!«
Alberic blieb fast die Luft weg, und auch die Fürsten verfolgten das Spektakel mit langen Gesichtern. Er ging einige Schritte auf sie zu, um sie zu packen und aus dem Raum zu zerren, aber dann sah er ihre zornig funkelnden Augen. Jedes Wort, jede Berührung von ihm würde sie nur noch wilder machen. Was würde sie ihm dann noch alles vorwerfen? Er blieb stehen, zögerte – und hatte im selben Augenblick verloren. Von hinten drang das Lachen des Königs wie ein Triumphgebell heran.
»Ich möchte nicht in der Haut des Sarazenen stecken, der Euch anrührt, Herzogin!«, gellte Berengar.
Alberic blickte verstörter denn je. »Heißt das, Euer Gnaden, dass Ihr meine Frau als Begleitung meines Heeres akzeptieren wollt?«
»Natürlich nicht«, grinste Berengar anzüglich. »Das heißt, dass ich Eure Frau als Begleitung
meines
Heeres akzeptiere.«
20
Mitte August setzte sich das Heer in Bewegung. Marocia verbat sich von Anfang an, in einer Kutsche gefahren oder gar einer Sänfte getragen zu werden. Wie alle anderen ritt sie. Um keinen Anstoß zu erregen, trug sie frauliche
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