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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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mißmutigen Blick auf die beiden schwatzenden Frauen und setzte sich gleich an das andere Ende der langen Tafel. Er hatte dafür gesorgt, dass sowohl sein Schlafgemach wie auch der Tafelraum aus der Burg von Spoleto in diesem riesigen Zelt wieder erstanden waren. Die schweren Kommoden aus Kastanienholz, die spoletanischen Webteppiche, die Tonkrüge und bemalten Holzteller, alles war wie im Originalzustand aufgebaut worden. Alberic wollte sich wie zu Hause fühlen, wenn er seine Gesundheit schon den Strapazen eines Feldzuges unterwarf.
    »Wir reden später weiter, Damiane«, sagte Marocia. »Bringst du uns bitte einen Becher Wein.«
    Damianes Augen leuchteten auf, und sie atmete einmal tief durch. »Sofort.« Sie ging in das Nachbarzelt und kam wenig später mit zwei halb gefüllten Kelchen zurück. Einen stellte sie vor dem Herzog ab, den anderen vor Marocia.
    »Danke für alles«, sagte sie und machte einen langen, ungewöhnlich tiefen Knicks, bevor sie sich zurückzog.

    Gratian blickte sich nach allen Seiten um. Niemand sollte ihn sehen, wie er das Zelt einer Hofdame betrat. Doch er konnte beruhigt sein; ein kräftiger Wind wirbelte derart viel Sandstaub auf und brachte allerlei Gerät zum Kippen, dass die Soldaten anderes zu tun hatten, als einen Erzbischof zu beobachten.
    Er fand Damiane kniend und mit offenem Haar vor einem fingergroßen Holzkreuz vor, und in diesem Augenblick glitten, gleich hintereinander, zuerst ein gewaltiger Schreck und dann eine wunderbare Zufriedenheit über sein Gesicht. Sie hatte es tatsächlich getan.
    Er sagte nichts, und auch sie schwieg. Stumm vor der Ungeheuerlichkeit eines Verbrechens, das vor zwanzig Jahren völlig undenkbar für sie gewesen wäre, hielten sie einander fest, lösten sich wieder und setzten sich Seite an Seite auf das Bett. Dann küsste sie ihn, wie sie ihn noch nie geküsst hatte: lang, tief und magisch, wie eine Verführerin. Ihr Blick lockte ihn, ihre Berührungen reizten ihn. Sie ließ ihr Gewand vom Körper gleiten, dann zerrte sie sacht an seinem. Schwer atmend streifte er es ab, dann nahm er ihren Kopf zwischen die Hände und übersäte ihn mit Küssen. Sie flüsterten sich ihre Namen zu, immer und immer wieder.
    Plötzlich hatte sie einen Weinkelch in ihrer Faust. Sie trank daraus, nahm einen gewaltigen Schluck und presste ihre Lippen auf seine. Er spürte, wie die Flüssigkeit durch seine Kehle rann, warm und bitter. Von draußen drangen Schreie heran, der Herzog sei zusammengebrochen, sei tot. Was, fragte Gratian sich zwischen den Liebkosungen Damianes, war mit der Herzogin geschehen? War sie nicht auch tot? Doch weiter konnte er nicht denken. Einen Lidschlag später setzte sein Herz aus. »Ich liebe dich«, hauchte Damiane mit letzter Kraft und sackte zusammen mit ihm auf den Zeltboden.

    Marocia, Herzogin und Regentin von Spoleto, im Namen Alberics II.
Ohne großen Schwung setzte Marocia ihre Unterschrift auch unter dieses letzte Dokument, das morgen zur Verschickung kommen sollte, dann glitt ihr die Feder erschöpft aus der Hand.
    Eine einzelne kleine Kerze auf dem Schreibtisch hellte das nächtliche Zelt ein wenig auf und ließ Licht und Schatten um Marocia herum vibrieren. Die vertrauten Gegenstände verschwammen und schienen eine andere Gestalt anzunehmen. Nichts war mehr wie früher, selbst der stete Gesang der Zikaden klang in ihren Ohren wie eine Trauerklage.
    Noch einmal nahm Marocia die wichtigsten Papiere in die Hand und prüfte, ob sie nichts vergessen hatte: die Übertragung der Vollmachten zur Bestattung Alberics an den Bischof von Chieti, den nach dem Ableben Gratians ranghöchsten Geistlichen Spoletos; der Befehl zur Verstärkung der Besatzungen aller herzoglichen Burgen und Schlösser; schließlich der Aufruf an die Vasallen, einen neuen Lehnseid zu leisten. Die Schreiben an die Kinder sowie an die Verbündeten Hugo, Louis und Lando waren bereits vor vier Tagen, gleich am Morgen nach den tragischen Geschehnissen, abgegangen.
    Doch das alles war nur Papier. Buchstaben sahen immer souverän aus, aber die Wirklichkeit zeigte ein anderes Bild. Alberics Tod berührte Marocia weniger als die Folgen, die daraus entstehen konnten. Sie hatte Alberic nie geliebt oder geachtet und trauerte daher auch nicht um den Gemahl, sondern allenfalls um den Vater ihres jüngeren Sohnes. Jedoch die Koalition gegen Rom drohte nun zu zerbrechen. Große Teile der spoletanischen Truppen, allen voran der windige kleine Graf von Camerino, weigerten sich, die

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