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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Belagerung fortzusetzen. Sie gaben vor, keiner Frau folgen zu wollen, doch das war nur ein Vorwand, denn nachdem Marocia die Befehlsgewalt an den Markgrafen Guido übergeben hatte, behaupteten die gleichen Leute plötzlich, nun keinem Fremden folgen zu wollen, der nicht mit dem Herzogshaus verwandt war. Unter diesen Voraussetzungen war es nicht einmal sicher, ob der Kronrat Spoletos überhaupt eine Regentschaft Marocias akzeptieren würde, zumal widerliche Gerüchte aufkamen. Sei es nicht etwa
ihre
Hofdame gewesen, die den Herzog und den Erzbischof vergiftet habe? Auf welchen Befehl wohl habe sie gehandelt?
    »Warum?«, hauchte Marocia in das Halbdunkel des Zeltes hinein. Sie öffnete eine Lade und zog einen Brief heraus, die letzte Hinterlassenschaft ihrer Freundin und Begleiterin seit fast zwanzig Jahren. Sie hielt ihn ins karge Licht. Zum siebten Mal las sie die wenigen knappen Sätze, ohne eine Antwort zu erhalten. Damiane erklärte zwar, dass Gratian sie zu einer schrecklichen Tat gedrängt habe, und sie könne diese weder begehen noch ihn im Stich lassen. Sie sprach von Verrat, von einer Mitschuld am Tod von Marocias erstem, ungeborenem Kind, von erloschenen Hoffnungen und von Ekel vor dem, was aus ihr und Gratian geworden war. Doch so ergreifend dieses Dokument menschlicher Verführbarkeit und menschlichen Stolzes auch war: Nirgendwo fand sich darin ein Hinweis, warum auch Alberic sterben musste.
    Eine Wache kam herein und meldete Guido von Toskana.
    »Zu dieser Stunde?«, fragte sie.
    »Er sagt, es sei dringend, Durchlaucht.«
    »Dann schicke ihn in einer Minute herein.« Sie verstaute den Brief wieder in der Lade, ging zum Spiegeltisch, kämmte sich zweimal rasch durch die wirren Haare und zog sich schließlich einen langen weißen Überhang an, in dem sie aussah wie eine Nonne. Es war das einzige Kleidungsstück in ihrer mitgeführten Garderobe, das wenigstens annähernd einer trauernden Witwe angemessen war. So sehr ihr Damenkleider auf einem Feldzug auch widerstrebten, sie konnte sich in diesen Tagen nicht leisten, mit Jagdhose und Helm herumzulaufen.
    Jedes Mal, wenn Marocia den Markgrafen sah, musste sie an einen Erzengel denken. Sein Ausdruck war oft ernst, aber gütig, sein Schritt fest und dennoch nicht trampelnd. Und er war hübsch, auch wenn er das sicher nicht gerne gehört hätte. Selbst im unheimlichen Dämmer des Zeltes wirkte Guido wie ein Ritter im besten Sinne; sein Halbbruder Hugo dagegen wäre hier wie ein Dämon erschienen.
    »Wie geht es Euch?«, fragte er mit seiner milden, klaren Stimme.
    »Ich weiß nicht, wem ich noch trauen kann, nach allem, was geschehen ist. Ich glaube, das ist das Schlimmste.«
    Er nickte ihr verständnisvoll zu. »Ein Bote meines Halbbruders ist eben eingetroffen . . . Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht, wie er schreibt. Das Imperium hat eine Flotte, voll gestopft mit Soldaten, nach Italien entsandt. Sie wird in etwa zwei Wochen an der Küste bei Rom ankommen. Wenn Rom bis dahin nicht erobert ist, werden wir es schwer haben.«
    »Ich hoffe, Markgraf, dass das die schlechte Nachricht war.«
    »Ja. Wenngleich ich die andere kaum angenehmer finde . . .« Er kniete nieder und senkte den Kopf. »Hugo hat mich, als einzigen seiner Verwandten hier vor Ort, gebeten, in seinem Namen um Eure Hand anzuhalten, Herzogin. Er möchte Euch zur Gemahlin nehmen, und er gibt eine persönliche Schutzgarantie für Euren Sohn ab sowie für ganz Spoleto. Ich weiß, es ist geschmacklos, so kurz nach dem Tod des Herzogs. Außerdem kennt Ihr Hugo ja kaum. Ihr müsst wissen, dass ich seine Bitte nur widerstrebend erfülle. Die Vorteile, schreibt er . . .«
    »Natürlich«, rief sie, als sei der Stein der Weisen gefunden worden. »Die Vorteile wären enorm. Unsere Probleme wären damit fast allesamt gelöst.«
    »Es stimmt schon«, räumte Guido zögernd ein. »Eure Vasallen hätten keinen vernünftigen Grund mehr, abzuziehen. Ich, der Heerführer, wäre als künftiger Stiefonkel Eures Sohnes verwandtschaftlich mit Spoleto verbunden, außerdem würde sich der Kronrat kaum Eurem Anspruch auf die Regentschaft für Alberic II. widersetzen können – immerhin würdet Ihr bald Königin von Italien sein. Dennoch, von der moralischen Seite aus betrachtet . . .«
    Die moralische Seite ging in Marocias turbulenten Gedanken unter. Plötzlich lag ihr die Welt zu Füßen. Ein Leben mit Hugo, als Gemahlin eines aufregenden Mannes, als Herrin von Rom und Königin von Italien, Gräfin von

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