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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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kam die Dienerin aus ihrer Ecke hervor. Sie war verhüllt wie immer. Marocia erstarrte. Der Atem stockte ihr.
    »Was ist?«, rief eine alte, heisere Stimme, vermutlich die von Constanza, aus der Ecke hervor. Die Dienerin antwortete ihr nicht. Sie streckte die verhüllte Hand aus, und eben, als Marocia dachte, dass die Hand sie packen wolle, sah sie, dass sie sie nur abwehren wollte.
    »Ich tue dir nichts«, sagte Marocia hastig und wollte, von Neugier getrieben, nach dem Schleier der Frau greifen. Doch die Dienerin nahm hastig einen Stock, ein einfaches Feuerholz, und wehrte Marocia wie mit einem Schwert ab.
    »Wer ist da?«, rief Constanza, und Marocia spürte Empörung, ja Zorn in der Stimme.
    »Ich . . . Ich will doch nur wissen . . .«, stammelte Marocia.
    Die Dienerin wedelte mit der Hand, als ob sie Marocia das Sprechen verbieten wollte.
    Marocia hörte, wie Constanza unter Schmerzen aufstand und einen Fluch über die Lippen schickte. Dann humpelte die alte Frau ums Eck – und erschreckte Marocia fast zu Tode. Wie sah sie nur aus! Sie wirkte uralt, ihre Haut an den bloßen Armen hing schlaff herab. Oder waren das sogar Fetzen? Es ging alles so schnell.
    »Du dreckiges Luder!«, schrie Constanza und gab der Dienerin den Befehl: »Halt sie fest! Wir müssen sie umbringen!«
    Die Dienerin zögerte einen Augenblick, dann sprang sie trotz ihrer Körperfülle erstaunlich behände an Marocia vorbei und riss die Tür auf. Jetzt war wohl der Zeitpunkt, um wieder zu verschwinden. Sie warf einen letzten Blick auf die stumme Gestalt, die ihr nichts Böses wollte, dann rannte, ja sprang sie die Stufen des Turmes hinunter. Und von oben hallten die Flüche und die Schläge herunter, die Constanza der Dienerin versetzte. Keuchend schloss Marocia die Pforte hinter sich.

    Mit ungeduldigen, schnellen Schritten lief Marocia durch die Gänge und Treppenaufstiege der Burg, dicht gefolgt von Agipert, dem Marschall des Herzogs. Sein Brustpanzer, den er fast immer trug, klapperte derart laut, dass sein vorwurfsvoller Redeschwall fast darin unterging. »Niemand darf diesen Turm betreten. Er ist allein der edlen Constanza vorbehalten. Nicht einmal der Herzog selbst hat seine Mutter jemals dort besucht. Nun ist sie aufgebracht. Dieses kindische Abenteuer kann üble Folgen für Euch haben. Womöglich . . . womöglich verflucht sie Euch.«
    Marocia blieb so abrupt stehen, dass Agipert beinahe auf sie aufgelaufen wäre. Nachdenklich sah sie ihn an. Agipert war ein kerniger, bärtiger Soldat, der sein ganzes Leben lang das Schwert getragen hatte. Er hatte in seinen fünf Lebensjahrzehnten drei Schlachten und etliche Scharmützel geschlagen, gegen verhüllte Sarazenen und kräftige Franken gekämpft, von denen jeder Einzelne wie eine Festung wirkte. Nie war er zurückgewichen, sonst wäre er heute nicht Marschall. Doch nun versetzte ihn ein altes Weib in Schrecken. Constanza besaß vielleicht keinen offiziellen Einfluss mehr auf Alberic und seinen Hof, aber sie war dennoch die alles beherrschende Gestalt. Ihre Morde, an die Marocia nach dem Erlebnis im Turm nun glaubte, hatten das Land in Argwohn, Angst und Feindseligkeit gestürzt. Solange ihre Schwiegermutter in dieser Burg lebte, würde Alberic, ja das ganze Herzogtum, nicht aus seiner Erstarrung kommen.
    Marocia atmete tief durch und schnaufte: »Sie wollte mich umbringen. Alberic muss sie auf ihre Güter verbannen – oder wenigstens prüfen, was in dem Gemäuer vor sich geht.«
    Agipert schüttelte den Kopf. »Das wird er nie tun. Schon gar nicht Euretwegen.«
    »Ich
verlange
es aber.«
    »Ihr«– Agipert hielt Marocia den Zeigefinger vor die Nase –»habt nichts zu verlangen. Ihr werdet Euch von Constanza fern halten. Noch so ein Abenteuer, und ich lasse Euch einsperren. Als Vertreter des Herzogs darf ich das, wenn Ihr den Anordnungen zuwiderhandelt.«

    Noch in der gleichen Stunde ritt Marocia aus. Sie trieb ihr Pferd an, bis es nicht mehr konnte, dann stieg sie ab und warf sich mit Tränen in den Augen in das Gras. Sie dachte nicht mehr viel an Constanza von Atri oder deren Dienerin; das war ein Abenteuer, ein Geheimnis, eine spannende Abwechslung, wenngleich sie nie damit gerechnet hätte, dass Constanza sie umbringen wollte, oder damit, dass die Dienerin sie retten würde. Der Turm blieb ein Geheimnis, doch eines, von dem Marocia vorerst genug hatte.
    Viel schlimmer war das, was Agipert zu ihr gesagt hatte – und vor allem, wie. Noch bevor sie sich an ihre Rolle als Herzogin

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