Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Leibwächter bei Henry zu bleiben, solange die Schlacht getobt hatte, und denen Henry Begnadigung versprochen hatte. Des Königs Gnadenerlass wurde kurzerhand aufgehoben, und der siebenjährige Prinz verurteilte die Männer zum Tode. Dann sah er bei ihrer Enthauptung zu.
Gegenüber der Taverne kam ein Schlachter mit einem Käfig voller Hühner aus seinem Laden. Er holte eines der Tiere heraus, schlug ihm sehr geschickt mit einer Axt den Kopf ab und warf den kopflosen Körper in die Luft. Der Rumpf flatterte ein Stück weit, ehe er leblos zu Boden fiel. Hinter dem Schlachter segelten aufgestobene Federn herab und klebten an einem Fleischstreifen, der zum Trocknen aushing. Mein Magen zog sich zusammen.
In Bisham begrüßte uns der Verwalter hocherfreut, verstummte jedoch, als er hörte, dass unsere Eskorte lancastrianisch war. Dennoch servierte er meinen Begleitern auf meine Bitte hin Ale, Wurst und dunkles Roggenbrot. Am nächsten Morgen indes, als ich William Norris Lebewohl sagen wollte, fand ich ihn und seine Lancastrianer umringt vom Vogt und einigen der jungen Dienerinnen, die mit ihnen scherzten und lachten. Der Vogt bot sogar an, mit ihnen durch die Stadt zu reiten, damit sie sicher aus dem Warwick-treuen Bisham gelangten. »Gut, dass Ihr nach Einbruch der Dunkelheit durchkamt!«, sagte er und stieg auf sein Pferd, »sonst hätte Euch das Schwanenwappen da mächtig Ärger eingehandelt.«
Ich trat zu William Norris. Eigentlich wollte ich ihm eine sichere Reise, Frieden und ein gutes, langes Leben wünschen, schwieg jedoch. Unser beider Schicksal lag in den Händen einer launischen Fortuna, und war es ihm wohlgesonnen, bedeutete das womöglich, dass es John nicht gut ging. Deshalb dankte ich ihm nur und wünschte ihm Gottes Segen.
Berkshire war beinahe vollständig zu York übergewechselt, und ohne die Bedrohung durch Lancastrianer fand ich ein wenig Ruhe in Bisham, vor allem seit ich mit meiner kleinen Lizzie wiedervereint war. Von dort aus ritt ich die folgende Woche weiter nach Norden, nach Burrough Green in Cambridgeshire, wo ich zur Welt gekommen war. Ich brauchte den Trost meines Elternhauses. Die kleine Burg stammte noch aus sächsischer Zeit, und obwohl sie kein ganzes Heer abhalten könnte, schützte sie uns allemal vor den Plündererhorden, die hier die größte Bedrohung darstellten.
Kurz nach unserer Ankunft begab ich mich allein in den leeren Ostflügel, in dem ich als Kind oft gewesen war. Ich hatte es geliebt, durch die langen Korridore zu laufen und mich in den zahlreichen Nischen und Winkeln vor meiner Amme zu verstecken. Nun folgte ich den vertrauten schmalen Gängen mit den vielen roten Ziegelsteinbögen. Ich kam an einer ganzen Reihe von Zimmern vorbei, ehe ich in einer Nische stehen blieb, in der früher eine Truhe gestanden hatte. Mit beiden Händen drückte ich sanft gegen die rote Steinmauer. Die falsche Wand gab nach, und ich stand in einem kleinen Raum. Durch ein schmales Fenster und die Bodenritzen über mir fiel fahles Licht herein. Vor mir hing ein Seil von einem großen runden Eisenhaken in der Decke. Ich schloss die Tür hinter mir. Als Kind hatte ich hochspringen müssen, um das Seilende zu erreichen; jetzt konnte ich es einfach in die Hände nehmen. Ich legte mein Gewand ab, ergriff das Seil und begann zu schaukeln. Wie hatte ich das in Kindertagen geliebt! Ich beugte und streckte die Beine und gewann so an Schwung, und mir war, als flöge ich frei wie ein Vogel durch die Luft. Ich war wieder ein Kind und lief, gejagt von meiner Amme und juchzend vor Vergnügen, durch langes Gras. Die Welt drehte sich um mich, die Zeit nahm Gestalt an und wurde zu etwas Festem, dessen seidige Berührung ich spürte, während die Jahre dahinschmolzen. Wieder hörte ich, wie sich die Amme bei meinem Vater beklagte: »Sie lief weg und wäre um ein Haar in den Brunnen gefallen. Das Kind ist zu ungestüm, und es tut ihm nicht gut. Erlaubt mir, es mit der Rute zu bändigen.«
Und mein Vater antwortete: »Nein, es verläuft eine schmale Grenze zwischen Ungestüm und Courage, und Isobel wird all ihre Courage brauchen, um durchs Leben zu kommen.«
Dann geschah etwas Magisches. Ich sah mich selbst neben mir, ein lachendes Kind von sechs Jahren, das sich ebenso an dem Seil drehte und schwang wie ich, und während ich in das lachende Kindergesicht blickte, veränderte es sich. Die Unschuld wich aus ihm, und es verschwand.
In den nächsten Wochen brütete ich über den Haushaltsbüchern und ging meinen
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