Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
bestätigte Sir Thomas Malory seufzend. »Seine Lage ist in vielerlei Hinsicht unmöglich. Viele werden ihm nie vergeben können. Ich habe miterlebt, wie er beschimpft wurde, wie sich Männer abwandten, wenn er vorbeiging. Sie tuscheln offen und höhnen hinter vorgehaltener Hand. Ich weiß die Antwort auf Eure Frage nicht, Mylady. Die Zeit wird sie uns verraten.«
Und so war es. Bevor ein Jahr vergangen war, hatte sich Somerset wieder auf die Seite der Lancastrianer geschlagen und war zu König Henry nach Bamburgh gegangen. Von jener Festung aus hielten sie John in Atem, indem Somerset und seine Lancastrianer-Freunde die Umgebung der Burg in Angst und Schrecken versetzten. Johns Aufenthalte zu Hause wurden immer seltener und kürzer.
Obwohl er versprochen hatte, zum siebten Jahrestag unserer Vermählung nach Seaton Delaval zu kommen, traf er erst am späten Abend des sechsundzwanzigsten Aprils ein, und seine Heimkehr war anders, als ich erwartet hatte. Er ritt müde in den Hof, und seine Augen hatten einen Ausdruck, wie ich ihn seit Marguerites Herrschaft nicht mehr gesehen hatte. An seiner Seite ritten der treue Rufus und Johns neuer Knappe, Thomas Gower, den ich einst inmitten der Kriegswirren als »Pilger« kennengelernt hatte.
»Was ist geschehen?«, fragte ich.
»Bei Hedgeley Moor kam es zu einem Gefecht«, sagte John und stieg vom Pferd. Ich hakte ihn unter. »Einer unserer Neville-Verwandten – du kennst doch diesen tollwütigen Lancastrianer Humphrey …«
Ich nickte. Humphrey Neville entstammte der ersten Ehe von Johns Großvater Ralph Neville, dem Earl of Westmoreland, mit Margaret Stafford, Johns Linie hingegen Earl Ralphs zweiter Ehe mit Joan Beaufort, der Tochter des Duke of Lancaster. Humphrey hatte sich mit Johns Vater wegen bestimmter Ländereien überworfen, von denen er gemeint hatte, sie wären sein rechtmäßiges Erbe.
»Ich fand heraus, dass er mit Egremonts Bruder zusammen einen Hinterhalt gegen mich plante.«
Ich stieß einen stummen Schrei aus. Egremont war seit Langem tot, doch sein Vermächtnis lebte weiter, und die Percys bereiteten John nach wie vor große Schwierigkeiten. Mit den Jahren hatte ich einen veritablen Hass auf ihren Namen entwickelt, der allzu oft in einem Atemzug mit dem Wort »Hinterhalt« gefallen war. Es erinnerte mich immer wieder an jene Tage, die zu dem Grauen von Wakefield geführt hatten.
»Nein, keine Angst, es ist vorbei«, beschwichtigte John mich rasch. »Der Percy ist tot, aber Humphrey entkam nach Bamburgh.« Mit einem Seufzer sank er in unserem Schlafgemach auf einen Stuhl. »Es kann keinen Frieden im Land geben, solange ich den Lancastrianern nicht diese uneinnehmbare Festung am Meer abgerungen habe.«
Rufus legte sich vor das Feuer, von wo aus er traurig und mit einem trägen, mitfühlenden Schwanzwedeln zu John sah. Ich schickte Tom Gower weg und entkleidete John selbst: zog ihm die hohen Stiefel, das Wams und die Hose aus und wand die Bänder seines Hemdes auf. Nachdem ich ihn in eine Decke eingehüllt und ans Feuer gesetzt hatte, ging ich zur Tür und schickte einen Diener Wein und Konfekt holen.
»Darüber wollen wir uns später sorgen.« Ich kehrte zu John zurück. »Jetzt wollen wir essen, trinken, fröhlich sein … und uns lieben.« Ich küsste seinen Nacken und tauchte die Hände unter die Decke, um seine breite Brust zu streicheln. John wandte sich um und zog mich in die Arme.
Nach seiner Abreise schrieb John mir täglich. Eine nach der anderen ergaben sich ihm die Burgen im Norden und Westen, bis nur noch Harlech in Wales blieb. Gutes wurde auch von König Edward berichtet. Mit seinem Charme hatte er die Herzen der Menschen erobert, sodass ihn das Volk nun beinahe so sehr bewunderte wie Warwick. Die Ehefrauen der Kaufleute beschwatzten ihre Männer, ihm Geld zu leihen, und auch viele Männer gaben ihm großzügig, obgleich sie nicht sicher sein konnten, ihr Gold jemals wiederzusehen. Aber jedes Mal, wenn ich König Edward sah, hörte ich dasselbe Gejammer von ihm: »Geld, Geld, wieso ist nie genug Geld da?«
Ich verstand seine Sorge gut, denn uns plagte die Geldnot nicht minder. Dann jedoch blickte er nachdenklich zu Warwick, der reicher als jeder König war, und ich fühlte, wie mir ein kalter Schauer über den Rücken lief.
Zu jener Zeit beschloss Warwick, seine Mutter im Grab wieder mit dem Vater und Bruder zu vereinen, und zwar in Bisham, wie es der Earl gewünscht hatte, der bei seinen Neville-Vorfahren zur letzten Ruhe hatte
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