Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Vermählung vor siebzig Jahren: Damals hatte John of Gaunt, Duke of Lancaster und Onkel des englischen Königs, die bürgerliche Katherine Swynford geheiratet. Diese Ehe nun war aber um ein Vielfaches skandalöser, handelte es sich doch um den König selbst. Und während John of Gaunt seinerzeit die Einwilligung des Königs erhalten hatte, hatte König Edward sich heimlich vermählt. Indem er hinter dem Rücken Warwicks geheiratet und dies über vier Monate geheim gehalten hatte, wollte Edward beweisen, dass er für sich selbst entschied und auf niemanden hören musste, nicht einmal auf den, der ihn zum König gemacht hatte. Wie John schrieb, hatte Edward daran gegenüber Warwick in Reading keinen Zweifel gelassen. »Sei gewarnt, Cousin. Ich mag jung sein«, hatte er gesagt, »aber ich bin kein ausgestopfter Wollsack, den man umherschubst wie Henry, keine Krone, die de facto ein anderer trägt – du.«
Aber Elizabeth Woodville – Königin von England?
Mir fielen Duke Humphreys letzte Worte wieder ein. Als er vor der Schlacht von Northampton, in der er den Tod gefunden hatte, auf sein Pferd gestiegen war, hatte er angeblich gesagt: »Hier sind wir, eingeholt von allem, was wir zu vermeiden bemüht waren. Gott stehe uns bei!«
In jener Nacht hatte ich einen bösen Traum, der dem ähnelte, den ich bei meiner Ankunft in Westminster mit Sœur Madeleine gehabt hatte. Ich war im Regen überrascht worden, nass und bibbernd. Doch als ich die Hände um meinen Körper schlang, um mich zu wärmen, erkannte ich, dass es nicht Regen war, der mich durchnässte, sondern Blut. Ich sah auf, und John lächelte mich an. Er gab mir eine Blume: Es war eine weiße Rose, und ich fühlte mich glücklich. Dann ließ ich sie fallen. Er hob sie für mich auf, doch es war jetzt nicht mehr John, der vor mir stand, sondern ein Fremder, dessen Gesicht ich nicht sehen konnte. Er reichte mir eine rote Rose, die, wie ich entsetzt erkannte, eigentlich eine weiße war, nur blutgetränkt.
Ich schrak schweißgebadet auf.
Ein Albtraum, sonst nichts, dachte ich erleichtert. Oh, Gott sei Dank! Wieder hatte sich der Traum vollkommen wirklich angefühlt. Von nun an würde ich jeden Gedanken an Elizabeth Woodville weit von mir weisen und an die schönen Dinge in unserem Leben denken. Ich hatte Elizabeth lange nicht gesehen; vielleicht hatte sie sich verändert, war milder geworden, so wie Somerset …
Es ließ sich jedoch schwerlich umgehen, über Edwards Heirat zu reden, denn überall wurde von nichts anderem gesprochen. Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land verbreitet.
Als John und ich zwei Monate später Warwick in Middleham besuchten, kochte er vor Wut.
»Rivers?«, schimpfte er. »Pah! Er ist ein mittelloser Junker, ein Niemand, der von jedermann verachtet wird. Ganz England lacht über ihn, und jetzt ist seine Tochter Königin!« Er blieb stehen. Sein Gesicht war tiefrot, und eine Ader pochte an seiner Stirn. »Meine großartigen Pläne für das Königreich wurden durch die Verführungskünste einer Frau und die Schwärmereien eines Jungen zunichtegemacht.«
»Du tust Edward unrecht, ihn auf solche Weise kleinzureden«, sagte John ruhig. »Er ist kein Junge, sondern ein guter Kommandeur, der größten Widrigkeiten zum Trotz zwei bedeutende Siege erringen konnte.«
»Und seit Towton hat er nichts mehr geleistet«, erwiderte Warwick zornig. » Nichts mehr zu seinem Erfolg beigetragen! Wer bist du, ihn zu verteidigen? Weißt du nicht, was er über dich sagte? Er sagte: ›Ich bleibe dort, wo es warm und bequem ist. Soll Montagu sich um die Belagerungen und die Lancastrianer kümmern. Er kann besser mit groben Feldbetten und schlechtem Wetter umgehen, denn er ist der geborene Soldat.‹ Derweil war Edward damit befasst, in Leicester herumzuhuren. Deshalb musstest du in Hexham allein gegen Somerset antreten!« Warwick knallte die Faust auf den Tisch.
Mir war das Herz bei seinen Worten schwer geworden. Offenbar ahnte der König nicht, was John bereits alles aufgegeben hatte, um seine Pflicht ihm gegenüber zu erfüllen und ihm jene Siege zu erkämpfen, die nötig gewesen waren, um Edwards Thron zu sichern. Und fraglos hatte Warwick guten Grund, erbost zu sein. König Edward hatte ihn zum Narren gehalten und vor ganz Europa lächerlich gemacht, indem er ihn nach Frankreich gesandt hatte, wo Warwick über eine Eheschließung mit einer französischen Prinzessin hatte verhandeln sollen. Zu diesem Zeitpunkt aber war der König
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