Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
längst verheiratet gewesen.
Unsere Sorgen verflogen, als zehn Tage nach St. Valentin und neun Monate nach Johns Ernennung zum Earl am vierundzwanzigsten Februar 1465 unser wundervoller Sohn geboren wurde, den wir George tauften.
Umso bedauernswerter war, dass unsere große Freude nicht lange währen sollte. Elizabeth nämlich verlor keine Zeit, Unruhe zu stiften, und schockierende Nachrichten erreichten uns, die uns persönlich trafen. Ehrgeizig und rachsüchtig stürzten sie und ihre zwölfköpfige Sippe sich auf die Macht, rafften die Reichtümer anderer an sich und zerstörten jene, die ihnen im Weg waren. Ein besonders perfider Hieb in unsere Richtung war, dass Johns fünfundsechzigjährige Tante, die verwitwete Duchess of Norfolk, deren Gemahl maßgeblich zu Edwards Triumph in Towton beigetragen hatte, gezwungen wurde, Elizabeths achtzehnjährigen Bruder zu heiraten, John Woodville.
»Ich schwöre, für diese teuflische Heirat schlage ich der Woodville eines Tages den Kopf ab«, zürnte Warwick vor uns in Middleham. »Wo Geld oder Titel zu haben sind, drängen sie sich in die höchsten Familien des Königreiches, setzen sich über Gesetze und Konventionen hinweg und heiraten Erben gegen deren Willen, ganz gleich, wie jung oder alt diese sind! Schlimmer noch, die Woodvilles untergraben das Erbrecht, sodass Vermögen und Titel, sind sie einmal in ihren Fängen, nicht an die nächsten Angehörigen ihrer Ehepartner fallen, falls diese sterben, bevor sie alt genug sind, eigene Kinder zu haben! Und Edward, der Narr, blind vor Liebe, bemerkt es gar nicht.«
Und weil er sie einfach schalten und walten lässt, wird seine Königin zusehends dreister, dachte ich.
»Am besten sucht ihr jetzt gleich nach einer Erbin für euren Säugling«, warnte Warwick John, »sonst wird keine mehr übrig sein, bis er ins heiratsfähige Alter kommt. Diese Woodvilles vermehren sich wie die Maden!«
Nachdem er gegangen war, begab ich mich ins Kinderzimmer. Ich verscheuchte alle Gedanken an Elizabeth, wiegte meinen Sohn in den Armen und sang ihm vor. Dabei blickte er mit Neville-blauen Augen, die so dunkel und klar wie die seines Vaters waren, zu mir auf.
»Schlaf, lieber Georgie, die Vögelein
singen dir: ›Schlaf ein, schlaf ein!‹
Schau die Blümelein so fein
erstrahlen im Mai für dich allein.
Winde wehen,
Mühlen drehen,
Frieden herrscht im ganzen Land.
Frieden durch der Freundschaft Band.
So schlaf, mein Georgie, und im Traum
wird der Herr vom Himmel auf dich schau’n.«
John befolgte den Rat seines Bruders und verlobte unseren kleinen Georgie mit der neunjährigen Anne, seiner Nichte und Erbin des Lancastrianers Duke of Exeter, der im Exil lebte.
»Diese Verlobung kostet uns eine gewaltige Summe, also wird in diesem Jahr kein Geld für die Reparaturen am Turm in Warkworth übrig sein. Aber es ist eine großartige Verbindung, und nichts ist zu gut für unseren Sohn«, sagte John leise, als er das schlafende Baby in meinen Armen betrachtete. Er beugte sich hinab und küsste George. Das Herz ging mir über vor Liebe zu ihnen beiden.
Elizabeth Woodville wurde im Mai 1465 zur Königin von England gekrönt, am ersten Jahrestag ihrer heimlichen Vermählung mit Edward. Bei den Feierlichkeiten sparte Edward an nichts. In dem Bemühen, ihr adliges Geblüt zu betonen, schickte er eine hochoffizielle Einladung an den Verwandten ihrer Mutter, Johann Herzog von Luxemburg. Letzterer kam mit schillernder Entourage nach England gereist, in einem mit Blumen, Bändern und Seidentuch verzierten Schiff. Kein Neville war bei der Krönung anwesend. Warwick war in Boulogne, um einen Vertrag mit Burgund auszuhandeln, und John hatte alle Hände voll zu tun, den Grenzfrieden zu erhalten, Bamburgh zu belagern und mit den Schotten zu verhandeln. Edwards Kanzler, Erzbischof George, half John.
Zweifellos wären auch viele andere der Zeremonie lieber ferngeblieben, wagten es aber nicht, denn keinen außer den Woodvilles freute diese Vermählung – mit Ausnahme meines Onkels vielleicht, des Earl of Worcester, der anscheinend die Gunst der Königin genoss. Sein Brief an mich war voller Lobpreis auf ihre Schönheit und ihren Liebreiz, und unweigerlich fragte ich mich, wie ein solch intelligenter Mann die Falschheit dieser Frau nicht erkennen konnte. Andererseits war mein Onkel stets ein unbelehrbarer Romantiker gewesen, der weibliche Schönheit mit derselben Inbrunst anhimmelte wie die Ritter in seinen Schriften. War eine Frau schön, so seine
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