Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Vorräte zu kaufen.
Mir wurde es nun unmöglich, meine schlimmen Vorahnungen zu verdrängen.
»Agnes, wie geht es der Familie?«
Sie machte einen Knicks, sah mich aber nicht an. »Gut, danke, Mylady.«
Ich betrachtete sie sorgenvoll. Ihr Benehmen mir gegenüber hatte sich während der letzten vierzehn Tage vollkommen verändert. Sie behandelte mich mit der gleichen Kälte wie die Händler im Dorf, in York und überall sonst, wo ich hinging. »Wie geht es dem Cousin deines Mannes, der bei Hexham verwundet wurde?«
Sie schluckte und antwortete zunächst nicht. Dann sagte sie: »Ich weiß nicht, wo er ist, Mylady, doch ich bete für ihn. Wenn Ihr gestattet, Mylady, möchte ich jetzt den Abort aufsuchen.«
Ich nickte, und sie verschwand in der Zimmerecke. Die ganze Zeit hatte sie mich nicht ein Mal angesehen. Und es war nicht bloß Agnes: Alle Bediensteten benahmen sich mir gegenüber anders, flüsterten untereinander und verstummten, sobald sie mich sahen. Sie erfüllten meine Wünsche ohne ein Lächeln und verschwanden gleich wieder. Ich konnte den Grund nicht erahnen, hatte ich sie doch immer gut behandelt und war mir sicher, dass sie wussten, wie sehr sie mir am Herzen lagen.
Ohne einen weiteren Versuch zu unternehmen, mit Agnes zu reden, ging ich hinaus auf den Hof und begab mich zu den Stallungen. Die Zimmermädchen und Diener, an denen ich vorbeikam, verneigten sich mit einem gemurmelten »M’lady« und wirkten mal ängstlich, mal mürrisch.
»Wo ist Geoffrey?«, fragte ich einen jungen Stallburschen, der die Pferde striegelte.
Er wich erschrocken einen Schritt zurück, fing sich aber wieder und neigte den Kopf. »M’lady Countess of Northumberland, ich weiß es nicht, doch wenn Ihr wünscht, kann ich ihn für Euch suchen gehen.«
Der Stallbursche wirkte ängstlich, deshalb schüttelte ich den Kopf. »Schon gut, danke.«
Ich fand Geoffrey in ein Gespräch mit dem Sattler vertieft.
Beide Männer sprangen bei meinem Erscheinen auf. Geoffrey verneigte sich förmlich bis zur Taille, was ich befremdlich fand. Er war stets höflich, aber nie unterwürfig. Ich sah den Sattler an, der vor meinen Augen zu schrumpfen schien, nickte ihm zu, und er eilte von dannen, als wäre eine Wildschweinrotte hinter ihm her.
»Geoffrey, was geht hier vor?«
»M’lady, ich fürchte, ich weiß nicht, was Ihr meint«, sagte er errötend.
»Ich fürchte, du weißt es sehr wohl«, entgegnete ich.
Er wurde noch röter. »M’lady …« Grübelnd trat er von einem Fuß auf den anderen, als müsste er sich seine Worte gut überlegen. »Vielleicht sprecht Ihr lieber mit …« Er verstummte.
Mit wem?, dachte ich. Mit Nan, mit Maude? Mit Lady Conyers, Lady Scrope of Bolton, Lady Scrope of Masham oder Lady Clinton, deren Ehemänner jetzt für Warwick kämpften, im feindlichen Lager?
»Mit dem Earl of Northumberland«, sagte er schließlich.
»Wie du sehr wohl weißt, bewacht mein Gemahl das Meer bei Bamburgh vor seinem Bruder Warwick«, schleuderte ich ihm entgegen. »Mit wem soll ich sprechen, Geoffrey?«
Er schluckte. »Ursula wird bald aus York zurück sein.«
»Warum kannst du es mir nicht sagen?«
Unglücklich schüttelte er den Kopf.
»Dann schick sofort nach ihr«, trug ich ihm widerwillig auf. Ursula hatte eine lange Einkaufsliste mitbekommen, zu der unter anderem Stoffe für Kinderkleidung gehörten, und es war möglich, dass sie eine volle Woche fort sein würde, wenn ich sie nicht zurückbeorderte.
Am nächsten Tag war Ursula wieder da. Sie wirkte sehr niedergeschlagen. Kurz bevor sie von mir zurückgerufen worden war, hatte sie erfahren, dass der Prozess ihres Vaters abermals aufgeschoben worden war.
»Der Woodville-Königin ist es durch irgendeine List gelungen, dass mein Vater ohne Prozess drei Jahre im Gefängnis bleiben muss, so wie Marguerite in den Fünfzigern, als er sich mit dem Duke of York verbündete«, erzählte Ursula betrübt.
»Unter welchem Vorwand konnten sie einen solchen Aufschub erwirken?«
»Sie behaupten, es gibt keine Geschworenen für seinen Prozess.«
Leider konnte das der Wahrheit entsprechen. Ganze Dörfer waren ohne Männer, weil sie alle sich für eine Seite entschieden und auf die Schlacht vorbereiteten.
»Ursula, irgendetwas geht vor«, sprach ich an, was mir auf der Seele lag, »etwas, das fraglos übel ist. Keiner will mir sagen, was es ist. Weißt du es?«
Ursula wurde blass. »Nein, liebe Lady Isobel, ich weiß es nicht.«
»Lüg mich nicht an!«, fuhr ich sie an.
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