Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
verlagerte John seine gesamten Anstrengungen auf die Schotten und den Frieden an der Grenze.
Eines sonnigen Herbsttages im Oktober, als ich gerade einen neuen Diener zum Gespräch gebeten hatte, trafen zwei Boten ein, die in Warwicks scharlachroten Wämsern mit dem Bären und dem verzweigten Stab gewandet waren. Mir wurde sogleich wohler, als ich bemerkte, dass sie lächelten, und ich lief ihnen entgegen. Wir gaben ihnen Ale und Nüsse in der großen Halle und hörten uns die Neuigkeiten an, die sie brachten.
»Mylord Warwick hat Frieden mit König Edward geschlossen, und um das Ende der Feindseligkeiten zu feiern, befahl der König einen zeremoniellen Liebestag!«
Es war, als fiele ein dunkler Vorhang über meine Hoffnungen. Oh, wie sehr ich wünschte, ich könnte mich mit ihnen über diese Nachricht freuen, die scheinbar die Antwort auf all unsere Gebete war! Aber eben nur scheinbar, denn ich erinnerte mich zu gut an Henrys Liebestag nach der Schlacht von St Albans.
Auf Rose ritt ich mit John gemeinsam nach London. Unterwegs kämpfte ich die ganze Zeit mit meinen finsteren Gedanken, täuschte jedoch Heiterkeit vor. Die Sonne strahlte, und Musikanten spielten ihre munteren Melodien. Was leider nicht verhinderte, dass meine dunklen Vorahnungen beinahe zu einem körperlichen Schmerz wurden. Ich beugte mich vor und klopfte Rose’ seidigen Hals, als wir durch Bishopsgate kamen. Es war ungefähr zur Zeit von Henrys Liebestag gewesen, dass Warwick mir die Stute geschenkt hatte. Beim Blick hinauf zu den Vögeln, die über den Himmel huschten, dachte ich an jenen anderen strahlenden Tag, an die Hoffnungen, die wir damals gehegt hatten. Heute wie damals hatte es Tote gegeben. Diesmal waren der Vater und Bruder der Königin gestorben. Würde Elizabeth Woodville das vergeben?
Die Geschichte schien sich zu wiederholen, als ich von meinem Platz auf einer der Holzbühnen aus zuschaute, wie Warwick und König Edward Hand in Hand nach St. Paul’s gingen. Die Königin folgte dem König und hielt Clarence’ Hand. Feinde, die sich gegenseitig Treue und ewige Freundschaft schworen. Den gleichen Schwur hatten seinerzeit der Duke of York und der Earl of Salisbury sowie Henry und Marguerite geleistet …
Jener Tag überlagerte diesen, bis ich nicht mehr recht wusste, wo ich war. Dann blinzelte ich, und vor mir lag die Gegenwart. Obwohl er so hoffnungsvoll begangen worden war, hatte sich jener erste Liebestag als so hohl wie ein vertrocknetes Ei erwiesen. Würde dieser hier seinem Beispiel folgen?
Wir saßen am königlichen Tisch, speisten köstlich und scherzten mit König Edward in Westminster. Unterdes entging mir das Funkeln in Elizabeth Woodvilles Augen nicht, als sie beim Bankett zu Warwick sah, und die Zweifel, die mich beim Gedanken an Henrys Fest erfüllt hatten, holten mich prompt wieder ein. Ich blickte zu John, der tief in Gedanken versunken war. Für ihn musste dieser Tag noch weit schlimmere Erinnerungen wachrufen – Erinnerungen an die Zeit, als sein Vater und sein Bruder noch gelebt und gehofft hatten, an eine Zeit, die Frieden versprochen hatte, und an einen Frieden, der sich in den darauffolgenden Jahren als überaus flüchtig herausgestellt hatte. Manchmal kam es mir vor, als wären wir auf einem Schiff in einem endlosen Sturm, in dem sich um uns herum beständig neue Wellen auftürmten, die uns an Felsen zu zerschmettern drohten. Wir bemühten uns, den Klippen auszuweichen, doch würde uns dies immer gelingen?
Binnen dreier Monate sollte sich Edwards Liebesfest als genauso fadenscheinig wie Henrys erweisen. Wie in St Albans waren wenige Tote zu beklagen, doch das Blutvergießen blieb auch ebenso unvergessen und unvergeben. Die allzeit rachsüchtige Woodville-Königin, die Männer schon wegen geringfügiger Beleidigungen hatte köpfen lassen, war nicht gewillt, die Hinrichtung ihres Vaters und ihres Bruders zu vergeben. Im Hintergrund arbeitete sie an ihrer Vergeltung, befeuerte Edwards Eifersucht und Warwicks Zorn, bis sie schließlich Letzteren zum Handeln zwang.
Es hieß, dass sie versucht hatte, Warwick und Clarence beim Weihnachtsfest in Westminster zu vergiften, diese aber im letzten Moment gewarnt worden waren. König Edward verteidigte seine Königin, als ihm die Sache vorgelegt wurde, und tat sie als Hirngespinst der beiden ab. Nach Elizabeth Woodvilles Anschlag auf ihr Leben zogen sich Warwick und Clarence auf ihre Güter zurück.
John kam nach Warkworth, wo wir das neue Jahr 1470 begrüßen
Weitere Kostenlose Bücher