Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Rivers ließ jeden, den er des Verrats verdächtigte, festnehmen und exekutieren. Der junge Earl of Oxford, dessen Vater und Bruder durch meinen Onkel zu Tode gekommen waren, wurde in den Tower geworfen, konnte sich jedoch die Freiheit erkaufen, indem er gegen seine Freunde aussagte. Andere hatten weniger Glück. Henry Courtenay, der Erbe des Earl of Devon und gemeinhin als unschuldig angesehen, landete auf dem Schafott, weil ein Freund des Königs seinen Titel begehrte.
In diesen Tagen sahen wir Warwick nicht, denn er hatte ein Seekommando übernommen, das ihm einen Vorwand gab, in Calais zu residieren. Wir ahnten, dass er lediglich Zeit schinden wollte, bis er sich Edward vornahm. Und jener Tag nahte mit Neuigkeiten, die uns alle schockierten. König Edward zum Trotz, der sich weigerte, der Vermählung Bellas mit Clarence zuzustimmen, hatte Warwick die beiden Liebenden in Calais verheiratet, am Dienstag, dem elften Juli 1469. Erzbischof George hatte die Trauung vollzogen, und der Earl of Oxford sowie die Ritter des Hosenbandordens waren Trauzeugen gewesen.
»Was ist in Mylord Warwick gefahren, König Edward mit dieser Heirat vor den Kopf zu stoßen?«, flüsterte Ursula, die von Warwicks Akt der Meuterei gegen den König genauso entsetzt war wie der Rest von England.
»Warwick nimmt Rache, weil König Edward ihm mit Megs Vermählung zuwiderhandelte«, antwortete ich. »Und er will ihm zeigen, dass er dem König ebenbürtig ist.«
Seufzend legte ich meine Stickarbeit ab und blickte durchs Fenster auf den friedlichen Aln, der unter den großen Stabkreuzfenstern vorbeifloss. Unmittelbar nach Bellas Vermählung gab Warwick in einer öffentlichen Erklärung bekannt, dass er beabsichtigte, nach London zu kommen, um dem König eine Beschwerde-Petition vorzulegen, so wie der Duke of York es in den Fünfzigerjahren bei Henry getan hatte. König Edward brach sofort zu einer Pilgerreise nach Walsingham im Norden auf.
»Es ist ein Kräftemessen zweier sehr willensstarker Männer, und keiner kann sagen, wie es ausgeht«, ergänzte ich. »Aber eines ist gewiss … Es gibt kein Zurück.«
Ich drehte mich vom Fenster weg und entdeckte John, der in der Tür stand. Mit großen Schritten kam er herein und warf auf dem Weg seine Panzerhandschuhe auf einen Tisch.
»Eine interessante Beobachtung«, bemerkte er und sank auf einen Stuhl. Keine Fanfaren waren erklungen, und ich war so erstaunt, ihn unerwartet zu Hause zu sehen, dass ich mich zwar erhob, mich jedoch zunächst nicht rühren konnte. Irgendetwas muss geschehen sein , dachte ich .
Ich eilte zu ihm. »Oh, John, mein lieber Lord, du siehst müde aus! Kann ich dir etwas bringen?«
»Du kannst mir einen Schreiber rufen lassen«, sagte er und legte eine Hand an seine Stirn.
Diese Geste war mir allzu vertraut. »Was ist geschehen?«, fragte ich leise.
»Der König wurde von Warwick gefangen genommen. Earl Rivers, der Vater der Königin, und ihr Bruder John wurden exekutiert, wie auch ihr Freund, der neue Earl of Devon.«
Ich schluckte und rang um Fassung. »Wie …?«, murmelte ich verwirrt und sank ebenfalls auf einen Stuhl. Das ist zu viel, zu viel!
»Es gab eine Schlacht bei Edgecote. Durch einen seltsamen Zufall trafen die Königsheere unter Devon und Pembroke auf ihrem Weg nach Norden auf Warwicks Truppen, die nach Süden Richtung London marschierten. Devon und Pembroke sollten in Nottingham zum König stoßen, hatten sich aber am Abend zuvor in einem Streit um eine Dame überworfen und sich getrennt. Warwick erwischte sie einzeln und schlug sie nieder. Dann zog er nach Norden und nahm den König gefangen.«
»Wie Henry«, stellte ich ungläubig fest. »Zwei Könige, zwei Gefangene?«
John stand auf und trat ans Fenster.
Es bedrückte mich zu sehen, wie er sich auf die Steinbrüstung lehnte. Seine Schultern waren eingesunken, und mit einer Hand rieb er sich die alte Schenkelwunde von Blore Heath, die bei feuchtem Wetter immer schmerzte. »Ich schicke nach einem Schreiber«, sagte ich leise. Ob John mich hörte, wusste ich nicht.
Bald erfuhr ich, dass die Geschehnisse nichts an Johns Entschlossenheit änderten, zum König zu halten. Als im Norden eine von seinem tollwütigen Lancastrianer-Verwandten Sir Humphrey Neville angeführte Rebellion ausbrach, erhielt John Order von Warwick, sie niederzuschlagen, antwortete aber: »Nicht, solange der König dein Gefangener ist.« In der Hoffnung, dass sich die Beziehung von König und Bruder wieder richten ließe,
Weitere Kostenlose Bücher