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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Anlass dafür, süße Isobel«, beruhigte er mich und tupfte mir die Augen mit seinem Taschentuch. »Ich trete mit reinem Gewissen vor meinen Schöpfer.«
    Ich schluckte, wich einen Schritt zurück und sah ihn an. »Aber, Onkel … die Männer, die Ihr verurteiltet … zu diesem entsetzlichen Tod. Lasten sie nicht auf Eurem Herzen?«, fragte ich. Diesen Albtraum würde ich für immer mit mir herumtragen.
    »Meine Liebe, du verstehst nichts von der Welt. Es ist das höhere Gut, auf das es ankommt, und um es zu erreichen, darf kein Mittel ausgespart werden. Selbst Grausamkeit hat ihren Zweck. Das lernte ich in Transsylvanien. Dracul pfählte Hunderte türkischer Gefangener bei lebendigem Leib und hieb andere in kleine Stücke. Mohammed der Zweite, dieser furchtbare Eroberer von Byzanz, soll erblasst sein, als er es hörte. Danach hat er Dracul nie wieder Schwierigkeiten gemacht. Nachsicht führt nur zu Anarchie. Das Leid jener Männer war nötig, um England Frieden zu bringen.«
    »Aber wir haben keinen Frieden, Onkel.«
    »Er wird kommen, Kind. Vertrau auf Gott … Darf ich dich bitten, für meine Seele zu beten?«
    »Ich werde bis ans Ende meiner Tage für Euch beten, Onkel.«
    »Gott segne dich, teure Isobel, einziges Kind meiner Schwester! Wie stolz sie auf dich wäre! Lebe wohl, mein geliebtes Mädchen!«
    Der Wächter klimperte mit den Schlüsseln. Schluchzend umarmte ich meinen Onkel und drückte ihn an mich. Von der Tür aus sah ich ein letztes Mal zu ihm. Lächelnd hob er die Hand zum Abschied, als würde er lediglich zu einer kurzen Reise aufbrechen, dann wandte er sich wieder seinem Manuskript zu.
    Mir stockte der Atem. Nicht einmal seine Feinde könnten leugnen, dass mein Onkel ein tapferer Mann war.
    Der Tag seiner Exekution, der siebzehnte Oktober, brach grau und regnerisch an. Hunderte von Kirchenglocken läuteten zur Terz, als ich mit Geoffrey im Außenhof von Westminster wartete, dass mein Onkel herausgeführt wurde. Er sollte zu Fuß vom Palast zum Schafott am Tower gebracht werden, und ich musste bei ihm sein. Ich wollte ihn wissen lassen, dass er nicht allein inmitten von Feinden war, dass ich bis zum Schluss bei ihm sein würde.
    Mit vor dem Körper zusammengebundenen Händen trat er aus dem Burgfried.
    »Onkel!«, rief ich und lief zu ihm. Seine Augen strahlten, als er mich sah, und er wollte stehen bleiben, doch seine Wachen schoben ihn weiter. Er war von mindestens fünfzig Landsknechten umgeben, also folgte ich ihm, so nahe ich konnte. Die Palasttore öffneten sich, und ich hörte Lärm, konnte jedoch nicht an den Wachen vorbeisehen. Sobald ich durch das Tor kam, sah ich es.
    Menschenmassen säumten die Straßen. Unsicher blickte ich zu Geoffrey.
    »Die haben sich schon mit dem ersten Hahnenschrei hier eingefunden!«, rief er und neigte sich dicht zu mir, damit ich ihn hören konnte, denn ein gewaltiges Brüllen hob an, als die Leute meinen Onkel sahen. Auf einmal wurde ich hin und her gestoßen.
    Die Menge stürmte auf uns zu. Sie johlten und schrien wie an einem Festtag, nur war ihre Freude eine böse. »Schlächter von England!«, brüllten sie. »Schlächter von England!«
    Mit dunklen, wütenden Mienen drängten sie näher. Mein Onkel verschwand inmitten der wogenden Menge, sodass ich ihn nicht mehr ausmachen konnte. Alle riefen lauter, schoben fester und stießen mich so wild an, dass mein Haar unter der Kapuze herausquoll und um mich herumflog. In dem Gewühl wurde ich von Geoffrey getrennt.
    »Lady!«, rief er. »Lady!«
    »Geoffrey!«, schrie ich und griff nach der Hand, die er mir über die Köpfe hinweg zustreckte. Leider tauchte sie gleich wieder in der Masse ein wie die eines ertrinkenden Matrosen in rauer See. Eine endlose Strecke wurde ich mit dem Strom abgetrieben; immer mehr Leute liefen aus Seitenstraßen und Gassen herbei. Ich hörte eine schrille Frauenstimme:
    »Köpfen ist zu gut für den! Lasst ihn von wilden Hunden zerreißen!«
    Jemand anderes antwortete laut: »Ja! Keine Gnade für den! Er war den armen Seelen auch nicht gnädig, oder? Lasst ihn schreien wie sie! Lasst ihn in Stücke reißen!«
    Die Menge verfiel in einen grausamen Refrain. »Reißt ihn in Stücke! Reißt ihn in Stücke!«, brüllten sie. Und: »Keine Gnade! Keine Gnade!« Dann stimmten sie einen grotesken Singsang an, der über meinen Kopf hinwegdonnerte: »Verfüttert sein schwarzes Herz an die Hunde! Verfüttert sein schwarzes …«
    Ich wollte mir die Ohren zuhalten, konnte es aber nicht. Die

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