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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Landsknechte um meinen Onkel scheuchten die Leute zurück und zückten die Schwerter, um ihn zu schützen.
    Entsetzt schaute ich mich um. Ich war allein inmitten dieser Wahnsinnigen, die mich mit sich rissen.
    »Gebt ihn uns!«, schrien sie.
    Benommen vor Angst, konnte ich nicht mehr atmen. Es war keine Luft da, und sie drückten immer erbarmungsloser auf mich ein. Jeden Moment würde ich hinfallen und von ihnen zertrampelt werden. Mich zertrampelt ihr, und meinem Onkel reißt ihr das Herz heraus! Inzwischen waren wir am Fleet-Gefängnis. Wie durch einen Nebel bemerkte ich einen neuen Chor, der von Rufen und Schmerzensschreien durchbrochen wurde. Die Menge wich zurück; manche liefen weg. Verwirrt sah ich mich um, dann erblickte ich die Landsknechte. Die tobende Meute war durch eine Truppe von Gefängniswachen von ihrer Beute getrennt worden. Die Leute heulten Flüche und schwenkten die Fäuste, doch nach und nach wurde das schreckliche Gedränge lichter, und die Menge löste sich auf. Ich rang nach Luft, bahnte mir einen Weg durch die Menschen und stolperte zu einer Schankwirtschaft. Dort lehnte ich mich an die rote Ziegelwand und sah hilflos zu, wie die letzten Männer im sicheren Gefängnis verschwanden. Die großen Türen fielen scheppernd zu.
    Mein Onkel war in Sicherheit. Zumindest für eine Nacht. Ich atmete tief ein und schloss die Augen.
    Im Erber saß ich in meinem Schlafgemach und schaute auf den Fluss. Kleine Schiffe glitten hin und her, brachten Passagiere und Ladung die Themse hinauf und herunter. Eine Hochzeitsgesellschaft trieb auf einem mit Bändern geschmückten Schiff vorbei, und die Musik wehte bis zu mir. Ich sah die junge Braut und ihren Bräutigam, die dicht nebeneinandersaßen und mit ihren Gästen lachten, und unweigerlich musste ich lächeln, weil ich an meinen eigenen Hochzeitstag dachte, mein großes Glück.
    Ja, das Leben geht weiter, dachte ich.
    Sogar für meinen Onkel. In seiner Jugend hatte er Liebe gekannt. Nachdem er die verloren hatte, hatte er sein Vergnügen und seine Anerkennung im Streben nach Wissen gefunden. Mit den Reichen und Mächtigen hatte er ebenso Umgang gepflegt wie mit den einfachen Leuten; Könige, Päpste und Mönche hatten ihn einen Freund genannt und Achtung vor seinem Verstand und seinen Errungenschaften als Gelehrter gehabt. Viele Bücher hatte er geschrieben und antike Dichtung aus dem schwierigen Griechischen ins zugänglichere Latein übertragen. Er hatte die Welt gesehen: die grauen Festungen Europas, die Kreuzritterburgen Jerusalems, die glitzernde weiße Marmorstadt Venedig, die ihn bezaubert hatte. Er hatte all die großen Schreine besucht, mit dem Daumen von Konstantin, dem Leichnam von Helena, einem Teil des echten Kreuzes Jesu.
    Ja, mein Onkel hatte die Mächtigen kennengelernt, Großes miterlebt, aber vor allem war er stets ein zutiefst frommer Mann gewesen. Gewiss würde Gott ihm gnädig sein.
    Mit diesem Trost ging ich am letzten Abend im Leben meines Onkels ins Bett. Ich schlief unruhig und zitterte beim Ankleiden am nächsten Morgen. Dann schaute ich ängstlich zur Tür. Ich fürchtete mich vor dem, was mich erwartete, und wäre am liebsten nicht gegangen.
    »Meine Liebe, heute wird es anders«, sagte Ursula sanft und legte eine Hand auf meine Schulter. »Mylord Warwick hat selbst alles arrangiert. Du … und Mylord Worcester seid … geschützt.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe und nickte. Ihre Worte ergaben auf eine befremdliche Art Sinn, denn sie wusste, dass mein Onkel in einer verhängten Sänfte zum Tower gebracht werden sollte. Weder würde man ihn beleidigen, noch würde ihn eine wütende Meute bedrohen, weil Warwick ein Ausgehverbot verhängt hatte. Niemand durfte sich ohne Erlaubnis auf den Straßen von London sehen lassen, und auf einen Verstoß stand die Todesstrafe.
    Von zwölf Wachen eskortiert, ritt ich durch die leeren Straßen, um am Tower auf meinen Onkel zu warten. Das Klappern von Rose’ Hufen auf dem Kopfsteinpflaster hallte laut. Es war ein recht warmer, sonniger Tag, doch die verlassenen Straßen fühlten sich bedrohlich an. In sämtlichen Häusern drückten sich Gesichter an die Fenster, und auf den Dächern und Balkonen drängelten sich die Leute. Tausende Augen beobachteten mich. Wir erreichten den Tower und stiegen im Hof von unseren Pferden. Ein Landsknecht brachte mich zu einem Rasenplatz. Erst als ich das Holzgestell erblickte, packte mich die volle Wucht des Geschehens.
    Nur zwei Bänke waren vor dem Schafott

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