Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
ihrer aus und tätschelte ihre Finger. »Sei nicht traurig, Ursula, liebe Freundin! Ich habe meinen Frieden gemacht.«
Genüsslich sog ich den Frühlingsduft ein, bewunderte die sich stetig verändernde Landschaft, die in frischem Grün leuchtete. Sogar die Tiere freuten sich. Sonnenlicht punktete den Waldboden, die Welt war erfüllt von Vogelgezwitscher und die Wälder vom Getrappel der Füchse und Rehe. Auf den Weiden staksten unsichere Lämmer und Kälber umher. Schweigend trotteten wir die gewundenen Pfade entlang und hörten Zweige und Äste unter den munter spielenden Eichhörnchen knacken.
Auf einmal kam es mir so vor, als wäre die Zeit zurückgedreht worden. Mit fünfzehn war ich den gleichen Weg nach Süden gereist, meiner Zukunft entgegen, und nach Johns Tod war ich abermals vor die Wahl gestellt gewesen, in ein Kloster zu gehen oder wieder zu heiraten. Ich dachte an Sœur Madeleine. Sie war kurz nach unserem letzten Besuch bei ihr in London gestorben, als John und ich frisch verlobt gewesen waren, aber mir war so viel mehr im Leben beschieden gewesen als ihr. Ich hatte Kinder, die lebten. Auch mir hatte das Leben manches genommen, doch so vieles gegeben!
Ich sah Marguerite vor mir, wie sie gewesen war, als ich sie in Gefangenschaft besucht hatte. Gern hätte ich das Bild beiseitegedrängt, denn es beschwor Kummer um alles herauf, was hätte sein können. Nach dem Tod ihres Sohnes bei Tewkesbury hatten sie alle Lebensgeister verlassen. Erdrückt von Unglück und Trauer, saß sie den ganzen Tag da und starrte mit leerem Blick vor sich hin. So fand ich sie bei meinem Besuch auf Wallingford Castle vor. Obwohl sie mich erkannte und sprechen konnte, war sie nur noch eine Hülle ihrer selbst, gefangen in Erinnerungen. Ganz ähnlich wie Countess Alice. Was Marguerite anderen zugefügt hatte, war auf sie zurückgefallen, aber konnte das ein Trost sein? Mehr als jede andere von uns hatte sie ihre Geschichte selbst geschrieben, und ihre Tränen konnten keine ihrer Gräueltaten fortwaschen oder ihren Opfern wiederbringen, was sie ihnen geraubt hatte, und Marguerite auf diese Weise retten.
Nach Johns Tod war ich versucht gewesen, den Frieden eines Klosters zu suchen, wo ich in der Vergangenheit hätte verharren und bei ihm sein können, sei es nur in Gedanken. Doch was wäre aus den Kindern geworden? Man hätte sie einem Vormund übergeben, der sie eines Tages mit dem Höchstbietenden vermählt hätte – und wenn dieser Vormund die Woodville-Königin gewesen wäre? Ich konnte meine kostbaren Mädchen nicht einem solchen Schicksal ausliefern. Denn auf vielerlei Weise hatte sich Elizabeth Woodville als noch böser und hassenswerter erwiesen als Marguerite, so sehr, dass Warwicks letzte Worte zu Edward eine Warnung vor ihr gewesen waren: »Deine Königin ist im ganzen Land so verhasst, dass man niemals ein Kind von ihrem Blut auf Englands Thron lassen wird.« Eine schaurige Prophezeiung, denn Könige zu berufen, forderte immer wieder einen hohen Blutzoll, wie unser Leben bestätigt hatte.
Nach Barnet kam William Norris nach Seaton Delaval, um mir sein Beileid auszudrücken. Er sagte mir, dass er mich liebte – deshalb hatte er nie geheiratet. Zwar wusste er, dass ich seine Liebe nicht erwiderte, aber er behauptete, es machte ihm nichts aus, und schwor, dass ich es nicht bereuen würde, wenn ich ihn heiratete. Und es reute mich auch niemals. William war ein guter Gemahl, und aus den Tagen nach Tattershall kannte ich den Schmerz allzu gut, wenn einem die Liebe verwehrt wurde.
Wir wurden ein Jahr später vermählt, am Maifeiertag nach Johns erstem Todestag. Möge der Herr mir vergeben, doch während meines und Williams Traugottesdienstes erneuerte ich im Stillen den Schwur, den ich John geleistet hatte, und erklärte ihm, wo immer er war, warum ich mich erneut vermählte. Ich endete mit den Worten, die er so oft gesagt hatte, als er noch unter uns gewesen war: »Im Nest vom letzten Jahr findet man keine Eier.«
Wir müssen nach vorn blicken, meine Liebste, und unser Bestes für jene geben, die uns brauchen, flüsterte ich in meinem Herzen. Und im Andenken an seine letzten Worte ergänzte ich: Wir werden uns wiedersehen.
Auf unserem Ritt über herrliche Wiesen und Felder, die mit Wildblumen übersät waren, dachte ich an William. Mich dauerte, ihn ohne ein richtiges Lebewohl verlassen zu haben, wusste ich doch, dass ich nicht zurückkommen würde, aber ich hatte dabei an ihn gedacht. Es hätte ihn zu unglücklich
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