Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
seitlich auf. John wird dort sein!, dachte ich mit klopfendem Herzen.
»Und es gibt noch mehr. Die Königin hat Somerset in königlichen Angelegenheiten nach Wales entsandt. Er wird nicht zurückerwartet, bevor der Rat in Coventry zusammenkommt, also ehe der Duke of York eintrifft. Wir verlassen London morgen. Es sind nur wenige Wochen, bis Ihr Euren Liebsten wiederseht, und wer weiß, welche Neuigkeiten er hat – oder was die Zukunft bringen wird. Und jetzt, meine süße Lady, esst Eure Suppe.«
Mit beladenen Wagen, ächzenden Karren und wiehernden Pferden machte sich der Hofstaat früh am nächsten Morgen auf nach Coventry. Ich konnte meine Freude kaum bändigen, doch während mich der Minnesang mit Träumen von der Liebe erfüllte, entging mir die Stimmung der Leute nicht. Sie hassten Marguerite. Überall kamen sie am Wegesrand zusammen und beäugten uns mürrisch schweigend. Nicht die kleinsten Anstrengungen waren unternommen worden, um das Haar der Frauen oder die groben Tuniken der Bauern zu Ehren der Königin ein wenig zu schmücken. Ihre ernsten Gesichter verdüsterten sich stattdessen, als sie vorbeiritt, zu ihren Seiten Egremont und Lord Clifford, ein weiterer von Marguerites jungen Günstlingen, ein Mann mit einem breiten Nacken und harten Zügen. Auch er hatte seinen Vater bei St Albans verloren. Das Volk gab der fremdländischen Königin die Schuld am Verlust der französischen Ländereien, besonders Maine, das ertragreichste und wichtigste Dominion von allen. Sie hatte es ihrem Onkel, König Charles von Frankreich, versprochen und kurz nach ihrer Ankunft in England übertragen. Zudem hatte sie auf ihren Gemahl Henry eingewirkt, dass dieser Anjou an Frankreich abtrat. Und im Gegenzug hatte sie England nichts als einen kurzen Waffenstillstand gebracht. Selbst das Gewand hatte Henry ihr stellen müssen, bevor sie dem Volk hatte präsentiert werden können, so arm war sie gewesen. Dieser Tage war sie stets edel gewandet, vielleicht sogar zu edel, und ihre Günstlinge bereicherten sich auf Kosten des Staatssäckels.
Ihr gab man auch die Schuld am Tod von König Henrys Onkel Humphrey of Gloucester, der den verstorbenen Dukes Somerset und Suffolk fatale Fehler in der Kriegsführung angelastet hatte. Das Volk hatte ihn geliebt, wie es nun den Duke of York liebte, doch er war von seinem erbitterten Feind Suffolk in Arrest genommen worden und binnen einer Woche gestorben. »Mord«, wurde allgemein geflüstert, »durch die Königin und ihre Günstlinge.« Keiner beschuldigte den König, denn auch ihn liebten sie. Er war ein Heiliger, streng gläubig, verabscheute jedwedes Blutvergießen und begnadigte jeden Verbrecher. Nur leider war er Wachs in den Händen seiner Französin.
Gleich nach unserer Ankunft in Coventry entließ die Königin mich und ihre übrigen Hofdamen und nahm den kleinen Prinzen Edward mit zu den Privatgemächern von König Henry. Die Burg war im elften Jahrhundert erbaut und im zwölften Jahrhundert umgebaut worden, doch in einem bedauernswerten Zustand. Sie war ein düsterer Ort, umgeben von einem breiten Graben, dessen Wasser sich vom lehmigen Boden rot färbte. Die Räumlichkeiten mit den erhabenen Deckengewölben, den Steinböden, in die Blumen und Lilienbanner eingelassen waren, den vergoldeten Bogenstreben der Dächer und dem bunten Fensterglas waren ehedem prachtvoll gewesen, doch die Zeit hatte alles Schöne getrübt. Nun heulte der Wind durch die Korridore, Feuchtigkeit haftete an den Steinmauern, und in vielen Zimmern standen Eimer, um das Regenwasser aufzufangen, das durch die Decken tropfte.
»Warum will die Königin hier wohnen?«, fragte Ursula, als wir unsere Truhe auspackten und unsere Kleider zum Lüften an einen Haken in der Ecke der tristen Kammer aufhängten.
Aus reiner Gewohnheit blickte ich mich um, ehe ich antwortete: »Coventry ist auf Lancasters Seite, London auf Yorks. Hier fühlt sie sich sicher.«
Ursula neigte den feuerroten Schopf näher zu mir. »Und dennoch hat sie die Steuern in Leicester in zwei Jahren verfünffacht. Wie können die Leute das gutheißen?«
Ich zuckte mit den Schultern. Wer verstand denn noch irgendetwas? Es war alles viel zu verworren. »Sie sehen, was sie sehen wollen.«
Die meiste Zeit verbrachte ich bei der Königin, jedoch nie, wenn sie mit dem König zusammen war. Morgens half ich ihr beim Ankleiden, arrangierte ihr Haar und kümmerte mich um ihre Schönheitspflege. Ich rieb ihr Schafsfett ins Gesicht, färbte die Wangen mit Rouge
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