Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
und malte die hellen Augenbrauen mit Ruß aus den Rillen eines verbrannten Pfirsichkerns nach. Den Tag über erledigte ich Gänge für sie, brachte ihre Nachrichten und Anweisungen in die abgelegensten Winkel der Burg oder sah persönliche Bittbriefe von weiblichen Bediensteten an sie durch. Ich nahm mich all der Sorgen an, bei denen ich helfen konnte, und legte die übrigen Briefe der Königin vor. Die Abende, die sie nicht mit König Henry verbrachte, leisteten wir Hofdamen ihr Gesellschaft. Wir sangen, spielten die Leier und lasen der Königin aus ihrer Sammlung illustrierter Handschriften vor. Und wir arbeiteten an dem Gobelin, den König Henry entworfen und bis Weihnachten fertiggestellt haben wollte.
Ich staunte über die Königin. Sie musste doch wissen, wie die Dinge zwischen Somerset und mir standen, und dennoch zeigte sie sich mir zugeneigt. Da es nicht ihrem Wesen entsprach, ihre Gefühle zu verbergen, war offensichtlich, dass sie meine Gesellschaft beinahe so sehr genoss wie die von Elizabeth Woodville. Vielleicht lag es an den Vermählungswünschen, die für uns beide vorgetragen wurden. Sie dürften der gefühlvollen Seite der Königin gefallen. Allerdings äußerte Elizabeth niemals Interesse an einem ihrer Verehrer, ob jung oder alt. Eine Offerte kam sogar von einem angesehenen Ritter des Earl of Warwick, und Warwick selbst hatte Elizabeth geschrieben, um ihr die Ehe mit seinem Ritter anzutragen. Es war eine exzellente Partie für eine Jungfer, die väterlicherseits so wenig Vermögen mitbrachte – von der einzigen Seite, die zählte.
»Wünscht Ihr nicht zu heiraten?«, fragte ich Elizabeth eines Tages, als wir am königlichen Gobelin stickten, denn meine Neugier war schlicht zu groß.
»Aber natürlich will ich«, sagte sie, wobei sie den Kopf mit dem blonden Haar arrogant in den Nacken warf. »Wie kommt Ihr auf die Idee, ich wünschte es nicht?«
»Ihr seid achtzehn, mithin längst im Vermählungsalter, und keine ist schöner als Ihr.«
Ihr Lachen klang weicher als gewöhnlich. Offenbar mochte sie es, wenn man ihr schmeichelte. »Nun, Ihr dürft gewiss sein, dass ich nicht in ein Kloster gehe und Euch das Feld überlasse.«
Nachdem ich mich von meiner verwunderten Sprachlosigkeit erholt hatte, erwiderte ich: »Aus dem Grunde fragte ich nicht. Ich wundere mich lediglich, dass Ihr so lange einer Vermählung ausweichen konntet, würde ich doch annehmen, dass für Eure Hand hoch geboten wurde.«
»Nicht hoch genug für meine Mutter, die Duchess of Bedford.«
Die Mädchen in der Ecke kicherten leise, wurden aber sofort ernst, als Elizabeth ihnen einen strengen Blick zuwarf, und neigten die Köpfe brav über den Gobelin.
»Dann wart Ihr nie verliebt?«, fragte ich.
»Verliebt? Was hat das mit der Heirat zu tun? Nur Narren suchen Liebe, wo Macht und Vermögen entscheiden.«
Ich war verblüfft, was meine Miene preisgegeben haben musste, denn sie lachte. »Ich sehe, Ihr gehört zu jenen albernen Geschöpfen, die dem nicht zustimmen. Lasst mich Euch einen Rat erteilen: Wenn Ihr um der Liebe willen heiratet, werdet Ihr es bitter bereuen.«
»Aber warum, Elizabeth?«
»Nun, lebt Sir Parzival lange genug, wird er zu Sir Furz-mit-Schall, meine Teure. Ich dachte, selbst Narren wüssten das.«
7
W EIHNACHTEN 1456
Mein Gemach in Coventry Castle war klein wie eine Kerkerzelle, und aus meinem Fenster war nichts zu sehen als Dächer und Mauern. Trotzdem genoss ich Coventry mehr als erwartet. Das Wissen, dass ich John wiedersehen würde, belebte meine Gedanken wie meine Träume, und Somersets Abwesenheit munterte mich immens auf. Er war schon den ganzen November fort gewesen, und es fühlte sich an, als hätte sich die Sonne durch zähe Wolken gekämpft. In meiner solcher Art gehobenen Stimmung ertappte ich mich dabei, wie ich den Maskenträgern nach dem Abendessen eifrig applaudierte und fröhlich vor mich hin summte, während ich half, die Gemächer der Königin weihnachtlich grün zu schmücken. Der hässliche Bischof Dr. Morton, der mich auf dem Gang in Westminster so erschrak, war häufig zu Besuch beim Hofstaat in Coventry, und obgleich mich bei seinem Anblick immer wieder ein unangenehmes Gefühl überkam, konnte nicht einmal er meine Stimmung trüben.
»Nur noch zwei Tage, dann wird John mit dem Duke of York eintreffen!«, flüsterte ich Ursula zu. Das Läuten der Kirchenglocken über den Tag wie auch der Mönchsgesang zu den heiligen Stunden erinnerten mich, wie beglückend nahe der erste
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