Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Ihr, Unhold!« Somerset zog sein Schwert. Ein Aufschrei ging durch die Kirche, und Leute drängten herbei.
»Wie könnt Ihr es wagen, das Haus Gottes zu entweihen!«, brüllte jemand. Mehr wütende Stimmen wurden laut, und bald waren Somerset und seine Mannen von einer Schar aufgebrachter Bürger umringt, von denen einer lauter als der andere schimpfte.
»Legt Euer Schwert nieder, ehe ich es Euch entreiße!«
»Hinaus mit Euch!«
Die Menge griff diese Worte auf und rief sie im Chor: »Hinaus mit Euch! Hinaus mit Euch!« Die wütenden Bürger schlossen sich zu einer gefährlichen Menge zusammen, und auch Somerset musste die Bedrohung erkannt haben, denn er wurde blass und nahm das Schwert herunter. Durch die Hände solcher erbosten Meuten war schon manch ein Lord gestorben, so auch Somersets Vater William de la Pole, Duke of Suffolk, dem ein Seemann mit einem rostigen Messer den Kopf abgeschnitten hatte, als Suffolk versucht hatte, mit einem Schiff aus England zu fliehen.
Ein Priester schob sich durch die Menge nach vorn und sagte zu Somerset: »Kehrt lieber ins Schloss zurück, Mylord. Ich bitte Euch, geht.«
Somerset warf John einen zornigen Blick zu. »Wir beenden dies später«, fauchte er, schob das Schwert in die Scheide und eilte vorsichtig durchs Kirchenschiff zum Portal, umgeben von seinen Männern.
Die alten Türen wurden aufgezogen, sodass helles Tageslicht hereinfiel. Im Eingang blieb Somerset für einen Augenblick stehen, ein großer schwarzer Umriss inmitten von Licht, dann war er fort.
Die Kirchentüren knallten mit einem lauten Donnerhall zu, bei dem ich das Gefühl hatte, ich würde erbeben. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte, und atmete langsam aus.
Nun richteten sich alle Augen, auch die des Priesters, auf uns.
»Ich danke Euch vielmals«, sagte John.
Der kleine, füllige Priester blickte zu ihm auf. »Wie ich sehe, seid Ihr von anderer Standfestigkeit als Euer Gegner. Wir können nur beten, dass solche wie er nicht unsere Welt beerben, denn dann besteht wenig Hoffnung für uns alle. Wie ist Euer Name, Mylord, damit wir für Euch beten können?«
»Ich bin Sir John Neville, Sohn des Earl of Salisbury und Bruder des Earl of Warwick.«
Lautstarker Jubel hallte durch die Gewölbe von St. Paul’s. »Ein Warwick! Ein Warwick!«, riefen die Leute. »Gott schütze Warwick! Gott schütze das Haus York!«
Der Priester wartete, bis sich die Jubelrufe legten. »Ihr seid in unseren Gebeten, Mylord. Möge Gott den Earl of Warwick segnen, den größten aller Ritter, und seinen edlen Bruder, Sir John Neville.« Unter erneutem Jubel trat der Priester beiseite, und die Leute machten uns den Weg frei, ihre Mienen voller Ehrfurcht und Bewunderung.
Begleitet von ihrem Applaus und ihren Segenswünschen, gingen John und ich Arm in Arm den Mittelgang hinunter. Ich wagte nicht, John anzusehen, denn vor lauter Stolz quoll mir das Herz über, und Tränen benetzten meine Wangen.
Wir trennten uns auf den Stufen von St. Paul’s. John gab mir mein Rubinkreuz zurück und galoppierte nach Westminster zu seiner Audienz bei der Königin, während Ursula und ich mit einer kleinen Eskorte von wackeren Bürgern in den Palast zurückkehrten.
»Ich habe entschieden, dass es Zeit ist, dich zu vermählen«, sagte die Königin, die gleich einer Löwin im Käfig vor mir auf und ab schritt. Somerset hielt sich im Hintergrund und beobachtete mich mit verlangendem Blick. »Wir verhandeln«, fuhr die Königin fort, »und könnten schon bald Nachricht für dich haben.«
»Darf ich fragen, wen ich heiraten soll, meine Königin?«
Sie blieb stehen und sah mich an. »Das erfährst du zur rechten Zeit.« Dann nickte sie, was bedeutete, dass ich gehen durfte. Ihre Züge wirkten umwölkt, als sie sich zu Somerset wandte, und ich begriff, dass dieses kleine Schauspiel für ihn bestimmt war.
Ursula erwartete mich im Vorzimmer der königlichen Gemächer, wo Marguerites Damen sich die Zeit vertrieben; manche plauderten, manche stickten, andere warteten lediglich auf ihre Befehle. Mit Ursulas Hilfe schleppte ich mich zu meiner Kammer.
»Bring mir Papier und Feder, Ursula! Und mach bitte schnell, denn es ist dringend!« Ich flüsterte, obwohl wir allein waren. Binnen weniger Monate hatte ich die Fallstricke des höfischen Lebens erkannt und gelernt, dass es klug war, Dinge für sich zu behalten oder sie bestenfalls geflüstert zu äußern, falls es denn unvermeidlich war.
Als Ursula die gewünschten Sachen
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