Die Herrin des Labyrints
Sohn, denn du warst mein Baby und ein Teil von mir. Den Schritt, den du jetzt tust, kann man nicht aufhalten, und man kann ihn nicht rückgängigmachen, genauso wenig, wie wir die Sonne daran hindern können, am Morgen aufzugehen.«
»Was für ein Mann werde ich, Baba?«
»Ein selbstbewusster, mutiger, intelligenter und sensibler Mann. Vielleicht ein bisschen zu intelligent, weshalb du nicht verlernen darfst, auf deine Gefühle zu hören.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Ja, Patrick, das glaube ich wirklich.«
Er beugte sich zu mir hinunter und legte seinen Kopf neben den meinen auf das Kissen.
»Aber warum weinst du dann, Baba?«
»Weil ich eine blöde Kuh bin, Patrick. Sag mal, ist schon Mitternacht?«
»Ja, auf den Punkt. Oh, gibt es etwas zu feiern?«
»Ich denke, ja. Komm mit!«
Bei einem kleinen Schluck Champagner bat ich meinen Sohn schließlich: »Du würdest mir einen großen Gefallen tun, Patrick, wenn du mich nicht mehr Baba nennen würdest.«
»Damit würde ich mir auch einen großen Gefallen tun.« Er sah mich ernsthaft an. Dann hob er sein Glas und nickte mir zu.
»Danke, Amanda!«, sagte er mit der Stimme, die er einmal haben würde. Und sie war der von Damon so ähnlich, dass mir ein Schauder über den Rücken fuhr.
KAPITEL 52
Vaterschaft, die Dritte
Der Samstag war ein brütend heißer Tag. Die ganze Woche über hatte sich die Temperatur gesteigert, und jetzt war zusätzlich eine drückende Schwüle hinzugekommen, die dazu führte, dass schon die kleinste Bewegung Schweißausbrüche erzeugte. Ich stellte bereits morgens die Gartenmöbel auf, denn die angenehmste Stellewar immer noch die Terrasse, auf die der Schatten der alten Buche fiel und wo eine überwucherte Rankwand wenigstens den grünen Eindruck von Kühle vermittelte.
Patrick und ich hatten unser spätes Frühstück draußen eingenommen, und gemeinsam saßen wir in ausgesprochen dösiger Stimmung anschließend im Schatten. Ich hatte mir vor einigen Tagen einen Bikini gekauft, den ersten seit Jahren. Ganz sicher war ich immer noch nicht, ob ich mich der Öffentlichkeit darin zeigen konnte, denn trotz aller Anstrengungen, meine Figur zu straffen, waren die breiten Hüften geblieben. Aber hier im Garten war mir das zunächst einmal egal. Als Henry und kurz darauf Damon kamen, hatte ich mir allerdings wieder ein weites Baumwollhemd übergezogen.
»Meine Güte, was für ein Tropenklima«, stöhnte Henry und wischte sich die Stirn ab.
»Das sind Nordlichter wie Sie natürlich nicht gewohnt«, entgegnete Damon, als er Henry die Hand zur Begrüßung reichte. »Manchmal hilft schon eine entsprechende Kleidung.«
Er wies auf seine Shorts und Patricks Badehose. »Das möchte ich der Gesellschaft doch lieber nicht zumuten.«
»Och, Old Henry, du müsstest nur dieses geschnitzte Teil tragen, weißt du, das aus Mahagoni und unten den eisenbeschlagenen Knauf dran. Wie so ein alter Pirat!«, schlug Patrick vor.
Henry lachte darüber, aber ich bemerkte, wie Damon sich auf die Lippe biss.
»Tut mir leid. Das war nicht so gemeint. Sie haben es gut im Griff.«
»Macht doch nichts, Damon. Ich bin es seit Jahren gewohnt, und Sie sehen ja, wie die junge Generation mit so etwas umgeht.«
»Die junge Generation verschwindet jetzt in der Küche und holt den Eistee, und die ältere Generation legt bitte die Steifheiten ab, wir sind schließlich bei einer Familienkonferenz!«, sagte ich und stellte die Gläser auf den Tisch.
»Schrecklich energisch, diese Frau«, murrte Henry »Hat aber recht, nicht wahr?«
»Hat sie, Henry.«
Patrick kam mit dem Glaskrug, der schon auf dem Weg von der Küche nach draußen tropfnass beschlagen war, und goss uns ein. Ich schwieg und sah ihm zu, wie er gewandt dieser Pflicht nachkam. Aber eine Sache war da noch zu klären, und ich war gespannt, wie er es hinter sich bringen würde.
Er zog schonungslose Offenheit vor.
»Vater!«
»Ja, Sohn?«
»Ich habe neulich Mist gemacht. Und du hattest recht.«
»Schön, dass du es einsiehst.«
Das war wieder eine von Damons nichtssagenden Bemerkungen, die einem Schuldigen weder einen Hauch von Hilfe noch von Verzeihung boten. Aber Patrick blieb tapfer.
»Ich habe dich beleidigt, Vater, und das tut mir leid.«
»Das sollte es auch.«
Verdammt, konnte dieser Mann denn gar kein Entgegenkommen zeigen? Ich sah, wie Patrick sich zusammenriss und eine trotzige Reaktion unterdrückte. Ich hätte ihm gerne geholfen, aber das durfte ich nun wirklich nicht mehr.
»Ich …
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