Die Herrin des Labyrints
Verstümmelung, keine allzu großen körperlichen Schmerzen und kein Brechen des Willens. Nur etwas Angstüberwindung, Schlaflosigkeit und ein bisschen Hunger.«
»Hört sich unangenehm an, aber nicht allzu furchtbar. Glaubst du denn, es nützt ihm?«
»Wie bist du denn erwachsen geworden, Amanda? Hat dich jemand stark gemacht, damit du diesen Hindernisparcours bewältigen konntest?«
»Nein. Im Gegenteil. Rühren wir nicht dran, es hat seine manifesten Folgen gehabt.«
»Siehst du, du hast daraus gelernt, und ich habe auch daraus gelernt. Du hast es schon besser gemacht als deine Eltern, und ich sollte die Chance nutzen, es bei meinem Sohn auch besser zu machen. Gibst du ihn mir für eine Woche mit in einen Abenteuerurlaub?«
Die Trennung sollte also wirklich schnell und gründlich erfolgen. Aber wie hatte ich es selbst formuliert – sie war so unvermeidlich wie das Aufgehen der Sonne. Ich stand auf und ging zudem Stamm der alten Buche. Manchmal half es mir, mein inneres Gleichgewicht zu halten, wenn ich mich mit der Schulter an sie lehnte. Damon war mir gefolgt und stand vor mir.
»Tu ihm nicht weh, Damon. Er ist mein Baby gewesen.«
»Ich verspreche dir, ihm nicht über Gebühr weh zu tun. Nächste Woche?«
»Vorausgesetzt, du verhinderst die Angriffe wilder Pumas, wüste Tätowierungen und anschließende Malariaanfälle.«
Damon sah mich an, und seine so eigenartig schillernden Augen hielten meinem Blick stand. Ich hatte Angst um Patrick, und er las es darin. Ich hingegen wusste aber plötzlich auch, dass ich ihm vertrauen konnte. Und Damon zu vertrauen, das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Er würde Patrick keinen Schaden zufügen, und sollte eine Gefahr bestehen, so würde er ihn beschützen, welche Mittel und Methoden auch immer dazu notwendig waren. Warum das so war, wusste ich nicht, denn hinter den grünen, goldblitzenden Augen lag ein Schleier, den ich nicht durchdringen konnte. Ein verbotenes Land, das zu betreten er niemanden erlaubte, und eine Erfahrung, die mich mehr als schaudern machte. Wie wenig wusste ich von dem Mann, mit dem ich einmal verheiratet war. Ich schüttelte die beklemmenden Gefühle ab und löste meinen Blick.
»Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn du ihn mir ein paar Tage abnimmst. Halima hat mich nämlich dazu verdonnert, am ersten Juli in ihrer Gala aufzutreten, und ich fürchte, mein Trainingsprogramm wird in den nächsten drei Wochen ziemlich zeitraubend und anstrengend.«
»Du tanzt wieder, das ist gut. Besorg mir eine Karte für die Show.«
»Mache ich. Aber sicher bin ich noch nicht, dass ich auch auftrete. Das hängt von – na ja – der Entwicklung ab.«
»Halima weiß, was sie tut. Und wenn nicht, bin ich ja in der Nähe, um als Ventil zu dienen, sollte dich der göttliche Rausch wieder überkommen!« Die Fältchen um Damons Augen vertieften sich, und ich konnte ihm die Anspielung nicht übelnehmen. Er nahm meine rechte Hand in seine Linke und drückte mir festseinen Daumen in die Innenfläche, so dass sich meine Finger wie Krallen krümmten. Mit ihnen fuhr er langsam über die Narbenstreifen auf seiner Brust. »Das waren etwas spitzere Fingernägel als die deinen«, flüsterte er in meine Haare und zog mich an sich. »Ich habe sie überlebt. Wenn auch nur knapp.«
Ich spürte seine Haut auf der meinen und fühlte, wie mich der Schwindel ergreifen wollte, der mein bewusstes Ich auslöschen würde. Mit einer Hand griff ich zu dem Baumstamm hin, die glatte Rinde lag warm unter meinen Finger, und der schreckliche Sog ließ nach. Ich war wieder ich, aber nichtsdestotrotz stand ich in Flammen. Sehr behutsam zunächst und dann immer fester zog ich meine Fingernägel über seine Haut und hinterließ unterhalb der Brustwarzen rote Streifen.
»Ob ich das überlebe, weiß ich nicht, Amanda!«
Damons Kuss war nicht eben sanft zu nennen, aber hätte ich nicht meine Knöchel an der Rinde aufgerieben, hätte ich mich ohne jeglichen Widerstand meiner brennenden Lust hingegeben. So aber blieb mir ein Rest Vernunft, und ich nutzte sie auf die dümmste Art und Weise, die überhaupt möglich war. Ich löste mich ein bisschen aus seiner Umarmung und fragte: »Damon, warum hast du mir eigentlich nicht gesagt, dass deine Mutter vor Kurzem gestorben ist?«
Es war, als ob ein dunkler Schatten über sein Gesicht zog, er ließ mich abrupt los, so dass ich ein wenig taumelte.
»Wer hat dir von meiner Mutter erzählt?«
»Eine Freundin von Gita.«
»Was hat sie
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