Die Herrin des Labyrints
beeinflussen. Aber wenn du weißt, was da passiert, dann hast du auch Macht darüber.«
»Was kann ich denn tun?«
»Hart trainieren und dich mit diesen – ähm – Anfällen auseinandersetzen. In kontrollierten Situationen.« Sie sah mich noch einmal prüfend an und bot dann an: »Wenn du willst, helfe ich dir dabei.«
Es kam ziemlich überraschend, und ich war im Moment noch so verwirrt, dass ich nur abwehrend den Kopf schütteln konnte.
»Na gut, es ist deine Sache. Überleg es dir noch mal, mein Angebot bleibt bestehen. Hier, nimm meine Karte mit und ruf mich an, wenn du eine Entscheidung getroffen hast.«
KAPITEL 9
Ave Maria!
Die Göttin wanderte auf der Suche nach einer hilfreichen anderen Göttin durch die Welt. Es war schwieriger, als sie gedacht hatte, denn die Menschen, von denen sie im Augenblick sowieso nichts hielt, waren verblendet genug, die alten Göttinnen nicht mehr zu verehren, ihnen zu huldigen und zu dienen. Darum hatten sich diese zurückgezogen, und ihre alten Tempel, die heiligen Quellen und Haine waren verlassen. In den Synagogen, Moscheen und Kirchen hingegen wurde ein unsichtbarer männlicher Gott angebetet. Mit ihm konnte die suchende, liebende Göttin nichtallzu viel anfangen. Schließlich stand sie in einem gewaltigen Gebäude vor dem Altar und sah mit schief gelegtem Kopf nach oben und besah sich seinen Sohn. Der Junge mit der Dornenkrone tat ihr zwar leid, aber er konnte ihr nicht weiterhelfen, denn er hatte sein eigenes Kreuz zu tragen. Missgelaunt über diesen Zustand wollte die Göttin zu grollen beginnen und mit ihrem Zorn das Gewölbe des gotischen Domes zum Erzittern bringen, als sie kurz vor ihrem Wutausbruch gerufen wurde.
»Suchst du jemanden?«
Die Göttin folgte der Stimme und fand in einem Seitenflügel einen Altar, auf dem die Figur einer jungen, sanften Frau mit niedergeschlagenen Augen stand. Sie hielt ein kleines Kind auf ihrem Arm, und ein Kranz aus Rosenblüten umgab sie. Die Göttin antwortete der weiblichen Statue: »Ja, ich suche eine Göttin, die mir hilft, zu meinem Geliebten zurückzukehren. Wer bist du?«
»Man nennt mich Maria. Und wenn du fügsam und mitfühlend bist, will ich dir gerne helfen.«
»Ave Maria! Fügsam und mitfühlend, soll ich sein? Sonst noch etwas?«
Die Göttin hatte ihren Groll nicht ganz überwunden. Aber Maria antwortete ihr mild: »Zurückhaltend und demütig, hingebend und hilfsbereit. So wie es den Frauen ansteht, die in den Himmel gelangen wollen. Bescheiden sollst du sein und von sanftem Benehmen. Dich nicht in den Vordergrund drängen, nur sprechen, wenn du gefragt wirst, und die Augen sittsam niedergeschlagen halten. Wenn du dich so benimmst und ein braves Mädchen bist, dann werde ich dir helfen, in den Himmel zu kommen.«
»Das kannst du aber pfeifen!«, schnaubte die Göttin, und Maria lächelte hold.
»Dann solltest du es wohl besser bei der Hure von Babylon versuchen. Vielleicht ist dir meine dunkle Schwester sympathischer!«
KAPITEL 10
Tanz mit Dämonen
»Du könntest auch mal eine Nachricht hinterlassen, wenn du abends weggehst.«
Ulli machte die Haustür auf, bevor ich den Schlüssel ins Schloss stecken konnte. Er war wieder mal schlecht gelaunt, und ich zuckte unter seinen Vorwürfen zusammen.
»Entschuldige. Ich hatte nicht gedacht, dass es so lange dauern würde. Ich war in einem Tanzstudio.«
»Und da gab es kein Telefon?«
»Ich hab’ nicht dran gedacht. Sorry!«
»Was willst du überhaupt in einem solchen Studio?«
»Nun lass mich doch erst einmal ins Haus kommen. Angiften kannst du mich auch ohne Nachbarschaftsbeteiligung.«
Ich schleuderte die Schuhe von meinen Füßen und stapfte barfuß in die Küche. Ulli trottete hinter mir her. In der Küche standen schmutzige Teller, auf dem Herd eine fettige Pfanne und ein Topf, in dem Nudeln klebten. Er war übergekocht. Eine rabenschwarze Wut wollte in mir hochkommen und ebenfalls überkochen, aber gewohnheitsmäßig drehte ich meine inneren Flammen herunter und begann, aufzuräumen und abzuwaschen. Ulli lehnte sich an den Türrahmen und sah mir zu.
»Würdest du mir jetzt bitte die Frage beantworten?«
»Welche?«
Beim Anblick des Küchenchaos hatte ich vergessen, was er eigentlich gesagt hatte.
»Was du in dem Tanzstudio willst.«
»Tanzen, denke ich mal. Aber ich habe mich noch nicht entschlossen, ob mir das dort gefällt«, antwortete ich versöhnlich. »Komm, hilf mir das Geschirr abtrocknen.«
»Tut mir leid, dass ich dich so
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