Die Herrin des Labyrints
Latino-Nacht an, und entsprechende Kleidung war ein Muss. Ich hatte zwei weite Röcke übereinandergezogen, einen leuchtend roten und einen orangefarbenen. Ein langer pinkrosa Fransenschal diente mir als Gürtel. Dazu trug ich eine weiße Bluse, die ich mit einer großen Brosche so aufgesteckt hatte, dass mein Bauch frei blieb. Lange klimpernde Ohrringe, klappernde Perlenketten und ein Dutzend Armreifen vervollständigten mein zigeunerhaftes Kostüm. Meine langen Haare hatte ich so gebürstet, dass sie eine wogende Lockenmasse bildeten, und dann ein rotes, weißgetüpfeltes Kopftuch hineingebunden. Selbstverständlich hatte ich auch die Augen üppig schwarz umrahmt und einen leuchtenden Lippenstift aufgetragen. Belustigt hatte ich mich im Spiegel bewundert, denn hinter der Maskerade schien auch meine Zurückhaltung verschwunden zu sein. Ein paar Minuten lang übte ich feurige Blicke und sinnliches Liderflattern und fand mich geradezu unwiderstehlich.
»Baptista, willst du wirklich so auf die Straße gehen?«, fragte meine Mutter, als ich mit einem kessen Hüftschwung zur Tür stolzierte. Frech schwenkte ich mein Handtäschchen und warf ihr einen verruchten Blick über die Schulter zu.
»Wird doch Zeit, dass ich ein bisschen was zu Kost und Logis beitrage, meinst du nicht auch?«
Mein kleiner Scherz kam nicht gut an.
»Baptista! Bitte! So kannst du wirklich nicht das Haus verlassen!«
»Mama, das ist ein Kostümfest. Und ich bin mit Sicherheit eine von denen, die noch am vollständigsten bekleidet sind. Isabell hat letztes Jahr so ein Samba-Kostüm getragen – mit nichts als ein paar Federn und Pailletten an den strategisch wichtigen Stellen. Meine Güte, im Schwimmbad trage ich sogar nur einen Bikini!«
»Ich kann dich sowieso nicht zwingen, Baptista. Sei vorsichtig und pass auf dich auf.«
Ich schickte ihr eines der einstudierten Küsschen durch die Luft und setzte mich ins Auto. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen.Aber das verflog zum Glück in dem Moment, als ich auf der Party eintraf. Es herrschte schon eine ausgelassene Stimmung, und ich fand in der Menge eine Reihe Bekannte und Freunde, die mich in ihre fröhliche Runde aufnahmen. Eine Live-Band spielte eine Salsa nach der anderen, und die Tanzfläche war bereits gut frequentiert. Isabell hatte wieder das Nichts von Kostüm an und stieß mich in die Seite.
»Suchen wir uns einen heißen Latin-Lover für heute Nacht, Bap?«
»Wir zwei einen?«
»Aber nicht doch! Die Auswahl ist groß genug, da muss man nicht teilen.«
»Hat dir Thomas freie Hand gegeben?«
Isabell nahm ihre Beziehungen immer recht locker, und seltsamerweise akzeptierten ihre jeweiligen Freunde das.
»Aber klar. Und du hast ja sowieso keine Rücksichten zu nehmen.«
Zwei Freundschaften hatten sich bei mir in der Vergangenheit als Pleiten erwiesen, und wenn ich es recht betrachtete, war ich wirklich wieder auf der Suche. Ich hatte sogar jemanden im Auge, der mich auf unerklärliche Weise anzog. Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen, und mein Herz machte einen kleinen Hupfer, als ich ihn an der Bar entdeckte. Isabell folgte meinem Blick und stöhnte dann theatralisch auf.
»Damon? Bap, da hast du dir aber hohe Ziele gesteckt.«
»Warum, ist etwas an dem Jungen auszusetzen?«
»Gottchen, wenn man’s arrogant und cool mag. Den überlasse ich gerne dir, für mich sind die Temperaturen noch nicht hoch genug, um eine Nacht in der Kühlbox zu verbringen.«
»Kennst du ihn näher? Ich habe ihn bisher erst einmal getroffen, da waren aber ein Haufen Fachsimpler dabei, Mathematiker. Das hat die Kommunikation etwas erschwert.«
»Tja, ich hatte mal das Vergnügen einer zwischenmenschlichen Begegnung. Die Erfahrung muss ich nicht wiederholen. Ich kam mir ein bisschen – wie soll ich sagen? – als benutztes Objekt vor.«
»Wie ist das zu verstehen?«
Isabell war immer recht offen in der Schilderung ihres Bettgetümmels, und wenn meine Mutter das gewusst hätte, wäre ihr meine Freundschaft mit ihr nicht recht gewesen. Aber diesmal hielt Isabell sich zurück in ihrer Wertung.
»Sagen wir mal, es gebricht ihm an einer gewissen Leidenschaftlichkeit. Aber vielleicht fliegt er nicht auf solche Flederwische wie mich, sondern sucht was Solides. Probier du es ruhig mal bei ihm.«
Wir gingen auf die Pirsch, Isabell und ich, und dabei trennten sich unsere Wege. Es war in der Tat auch hier schwierig, an Damon heranzukommen. Er schien vertieft in eine schwergewichtige
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