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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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zu der Orient-Show abzuholen. Weil wir so erstaunlich früh waren, hatten wir noch genügend Zeit, über den angekündigtenBazar zu bummeln. Nicole hatte schon Erfahrung mit solchen Veranstaltungen, mich jedoch erschlug das Angebot beinahe. Im Foyer des kleinen Theaters, auf den Galerien und in den Gängen drängten sich die Stände dicht an dicht, und jeder lockte mit glitzernden, grellbunten Kostümen, Trainingsbekleidung, Nähzubehör, CDs mit orientalischer Musik, Messingarbeiten und Räucherwerk.
    »Komm, ich brauche noch einen Schleier, der zu meinem Kostüm passt«, sagte Nicole und stürmte auf einen bestimmten Stand zu. »Ich soll nämlich ein Schleiersolo tanzen, hat Jamila gesagt.«
    »Und du hast bis jetzt noch keinen Schleier? Womit hast du denn geübt?«
    »Ach, noch gar nicht. Das lernt sich ja schnell.« Ich hatte da etwas anderes in Erinnerung, aber solche Bemerkungen würden uns nur den Nachmittag verderben. Nicole war schon dabei, ganze Kaskaden leuchtender Chiffontücher auszubreiten und um sich herumzuwirbeln. Ein paarmal hielt ich den Atem an, denn die Räucherschälchen auf dem Nebentisch waren in bedrohliche Nähe des fliegenden Stoffes geraten. Unauffällig stellte ich mich davor und schob die Schalen mit dem glosenden Räucherwerk vorsichtig außer Reichweite. Die Besitzerin des Standes, die sich Zara nannte, sah mir mit einem spöttischen Lächeln in den schwarz umrahmten Augen zu. Sie sah, was ich auch sah. Gut, dass es ein Teppichmarkt war, in dem Nicole tanzen würde.
    »Soll ich diesen Orangefarbenen mit den goldenen Sternen nehmen oder besser den Grünen mit Silberborte? Was meinst du, Amanda?«
    »Ist dein Kostüm nicht hellblau mit Silber? Oder hast du ein neues?«
    »Nein, warum?«
    »Na ja, ich würde vielleicht eher einen Schleier nehmen, der farblich besser passt. Dunkelblau beispielsweise. Oder diesen cremefarbenen.«
    »Aber das ist doch langweilig. Wir tanzen vor großem Publikum, da muss man Akzente setzen!«
    Das Lächeln in den dunklen Augen der Besitzerin von Zaras Glitzerkiste vertiefte sich. Ich musste mir auf die Unterlippe beißen und wandte mich ab, um den Ständer mit Kostümen durchzusehen. Bisher hatten sich meine Investitionen in das, was ich als sportliche Betätigung betrachtete, sehr in Grenzen gehalten. Ich hatte mir zwei schwarze Trikots gegönnt, seit ich bei Halima übte, und ein dunkelrotes Fransentuch mit ein paar goldenen Pailletten. Aber diese Kleider hier waren wirklich schön. Wie ich wohl in so etwas aussah? Wahrscheinlich verboten! Andererseits, so dick war ich nun auch nicht. Ich könnte ja den Bauch bedeckt lassen. Es gab da so Netze, die man drunterziehen konnte. Ob ich vielleicht mal einfach eines probieren sollte?
    Die schwarz umrandeten Augen hatten mich geschäftstüchtig beobachtet. Mit geübter Hand zog Zara ein Ensemble aus dem Ständer und reichte es mir.
    »Ich denke, das könnte Ihnen stehen. Wollen Sie es nicht mal anprobieren?«
    Es war ein verwirrendes Machwerk aus Perlen, Schleierstoff und Samt in einem absolut schockierenden, brennenden, schreienden Rot. Unmöglich, so etwas in der Öffentlichkeit zu tragen. Himmel, wenn Ulli mich in so einem Fummel sähe, würde er wahrscheinlich den Notarzt rufen. Oder vielleicht auch nicht? Zögernd fasste ich den Bügel an, den mir Zara entgegenhielt. Da gab es schon einmal eine rote Tänzerin …
    »Wo kann ich mich denn umziehen?«
    »Da, hinter dem Vorhang.«
    Zara bemerkte meine Unentschlossenheit und vor allem meine Unsicherheit. Wie sollte dieses Ding überhaupt getragen werden?
    »Ines, bleibst du mal am Stand, ich muss einer Kundin helfen«, rief Zara einem jungen Mädchen zu, das nebenan in einen heftigen Flirt mit einem CD-Anbieter verwickelt war.
    Es war nicht ganz einfach zuzugeben, dass ich Hilfe brauchte. Da war ein mit goldenen Applikationen bestickter Tellerrock aus mehreren Lagen fließenden, halbdurchsichtigen Materials, ein Gürtel aus Samt, der über und über bestickt war und lange Perlenfransen hatte. Zara steckte ihn so zusammen, dass er auf derHüfte auflag und den Bauchnabel freiließ. Der BH war ebenfalls üppig bestickt, und Perlenfransen hingen V-förmig bis fast zur Taille. Lange Armstulpen und ein Halsband vervollständigten das Kostüm. Ich wagte kaum, mich darin zu bewegen, aber es schien erstaunlich gut zu sitzen.
    »Also, ich finde ja, dass es Ihnen steht. Jetzt gehen Sie mal vor den Spiegel.«
    Ich hätte darauf gefasst sein können – bei dem Verhältnis,

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