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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Überall auf der Welt und jeden Tag. Das ist also sicher kein ausreichender Grund, weshalb ich die besagte Enkelin bin. Ich brauche mehr Beweise.«
    »Wo haben denn Oma und Opa dich aufgelesen? Dazu muss es doch wohl Unterlagen geben, oder?«
    »Genau die suche ich jetzt.«
    »Dann helfe ich dir.«
    Ich hatte zwar offizielle Papiere, aber die besagten nur, dass die Adoption in Deutschland erfolgt war und dass meine leiblichen Eltern unbekannt waren. Sogar mein Geburtsdatum war willkürlich gesetzt. Aber möglicherweise gab es noch andere Hinweiseauf meine Herkunft. Auf irgendeine Weise mussten die Ellingsens ja zu dem kleinen Kind gekommen sein, das ich damals war.
    »So was wie Verträge oder Ausweise meinst du ja wohl nicht?«
    »Nein, es muss etwas anderes sein, aber ich habe keine Ahnung, wonach wir suchen müssen.«
    In der ersten Kiste gab es einen Ordner, der Unterlagen über das Haus enthielt. Sehr praktisch, wenn ich es einmal verkaufen wollte. Dann fanden wir ein Schächtelchen mit billigem Schmuck und den Accessoires einer Dame. Ein Abendtäschchen mit Strasssteinen besetzt, ganz fein noch nach dem Maiglöckchen-Parfüm meiner Mutter duftend. Darin steckte sogar noch ein alter, zerbröselnder Lippenstift. In einer Mappe lagen etliche Aquarellzeichnungen, Landschaftsbilder, die mein Vater gemalt hatte.
    »Hier ist nichts drin, was uns weiterhelfen könnte«, meinte ich und zerrte an der nächsten Kiste. Als sie geöffnet war, hielt ich zunächst einmal vor Spannung den Atem an. Da waren alte Tagebücher meiner Mutter. Aber mit einem enttäuschten Seufzer musste ich feststellen, dass alle Aufzeichnungen in den Jahren vor meiner Geburt endeten. Auch die säuberlich gebündelten Briefe waren früheren Datums, genau wie die Fotos und ein getrockneter Rosenstrauß, der zu Staub zerfiel, als wir ihn herausholen wollten. Lange weiße Bänder ließen auf einen Brautstrauß schließen. Ein bisschen wehmütig war mir ums Herz, als ich all diese intimsten Schätze hob, die die beiden Menschen betrafen, die mich so großherzig aufgenommen hatten und mich immer mit wenn auch zurückhaltender, aber aufrichtiger Liebe behandelt hatten.
    »Baba, schau mal, was ich hier gefunden habe! Kannst du damit etwas anfangen. Es ist zumindest aus Ägypten oder so.«
    Patrick hielt ein kleines, aus Stein gearbeitetes Nilpferd in der Hand, vermutlich eine Replik eines dieser wunderlichen Tierfigürchen, die die alten Ägypter so zahlreich angefertigt hatten.
    »Das mag zwar ein ägyptisches Nilpferd sein, muss allerdings nicht in Ägypten gekauft worden sein. Aber hübsch ist es. Wir werden es auf den Kaminsims stellen.«
    »Na gut. Viel ist jetzt nicht mehr in der Kiste. Hier, dieses Buch noch!«
    Patrick reichte mir einen ledergebundenen Band mit Goldschnitt. Eine aufwendige Ausgabe von Goethes West-Östlichem Divan. Und dann passierte es! Aus den vergilbten Seiten des Buches flatterte ein Anerkennungsschreiben des Goethe-Instituts von Kairo. Das verblüffte mich so, dass ich mit dem Brief aus dem Keller in die Oberwelt lief und ihn bei hellerem Licht interessiert durchlas. Der übliche Sermon über die Verdienste des Deutschlehrers war weniger das, was mich verdutzte. Es war das Datum des Schreibens. Dieses Papier stammte aus der Zeit, als ich drei Jahre alt war. Ich hatte nicht gewusst, dass meine Eltern in diesen Jahren noch in Ägypten gewesen waren. Sie hatten mich immer glauben lassen, sie seien viel früher nach Deutschland zurückgekommen.
    Mir zitterten derartig die Hände, dass mir das Blatt entglitt.
    »Baba? Ist das etwas, das uns weiterhilft?«
    »Kann sein, Patrick. Es beweist, dass meine Eltern zumindest zur selben Zeit in Kairo waren, als Josiane starb. Das hatte ich bisher nicht gewusst. Sie haben mir nie sehr viel erzählt über ihr Leben, sie waren der Meinung, ein adoptiertes Kind sollte am besten so wenig wie möglich über seine Vergangenheit wissen, damit es sich ganz als das eigene fühlt. Darum haben sie mir diese Tatsache auch lange verschwiegen. Aber ich wusste immer, dass ich nicht ihre eigene Tochter war. Frag mich nicht, warum.«
    »Baba?«
    »Ja?«
    Patrick saß zu meinen Füßen auf dem Teppich und hielt das kleine Nilpferd fest. »Bin ich echt?«
    »Aber ganz bestimmt, Patrick. Da kannst du ganz sicher sein. Dazu erinnere ich mich zu genau, wie du auf die Welt gekommen bist.«
    Und wie du gezeugt wurdest, aber das sagte ich ihm nicht.
    Der Samstag kam, und Nicole traf beinahe pünktlich ein, um mich

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