Die Herrin des Labyrints
selbst darzustellen, um anderen eine Freude zu machen oder mit ihren Auftritten Geld zu verdienen. Wohlgemerkt als Honorar für eine künstlerische Leistung, nicht für irgendeine Anmache.«
»Ob die Leistung künstlerisch ist, ist wohl Geschmackssache. Aber wahrscheinlich hast du recht, ich habe ein bisschen vorschnell geurteilt. Wirst du denn jetzt auch auftreten?«
»Nein, Ulli, das werde ich bestimmt nicht. Ich tanze zur Entspannung, als Hobby, für meine Gesundheit. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich deine Geschäftspartner zukünftig mit meinem Hüftwackeln aus der Ruhe bringe.«
»Versprochen?«
»Ja, versprochen.«
Er lehnte sich etwas erleichtert zurück und zog mich an sich. Eine Weile saßen wir so zusammen, dann flüsterte er in mein Haar: »Du hast so seltsam und fremd in diesem Kleid ausgesehen, Amanda. Du hast mir Angst gemacht.«
Es war seit langem eine Nacht voller eindringlicher Zärtlichkeit, die folgte. Aber über das, was mich wirklich bewegte, fiel kein einziges Wort zwischen uns. Instinktiv schwieg ich darüber, wahrscheinlich weil ich fürchtete, Ulli damit gänzlich zu verlieren.
Aber ich suchte weiter. Es gab in der Garage noch ein paar alte Kisten, die ich ausräumen wollte, obwohl ich meinte, mich daran erinnern zu können, dass sie lediglich Gartengerät und Autozubehör enthielten. Es war eine eisige Arbeit, denn eine polare Kaltfront hatte die Natur erstarren lassen, und die ungeheizte Garagewar alles andere als ein gemütlicher Ort. Dick eingemummt und mit starren Fingern durchsuchte ich die aufgestapelten Kisten, füllte die Mülltonnen mit brüchigen Fahrradschläuchen, rostigen Werkzeugen und alten Fußmatten. Als Therapie gegen innere Unruhe war diese Tätigkeit unschlagbar, aber der materielle Lohn bestand aus zwei eingerissenen Fingernägeln und klebrig schwarzen Händen. Gefunden hatte ich nichts.
Frustriert duschte ich heiß und fuhr abends wieder zu Halima. Ich war niedergeschlagen, denn eigentlich hatte ich gehofft, ihr wenigstens einen Zipfel meiner Vergangenheit präsentieren zu können.
Es waren nur drei Frauen im Kurs, und als ich zwischendurch einmal fragte, was los sei, meinte eine von ihnen: »Hast du die Wettermeldungen nicht gehört? Es soll Regen geben.«
»Na toll, dann werde ich besser gleich wieder nach Hause fahren. Halima, entschuldigst du mich?«
»Natürlich. Aber es kann sein, dass es schon zu spät ist. Schau erst einmal aus dem Fenster.«
Die Lichter in der Straße spiegelten sich auf dem Asphalt, und stetig fiel weiterer Regen auf den eisigen Boden. Kein Fahrzeug bewegte sich mehr, und lediglich eine dunkle Gestalt rutschte und schlitterte an den Hauswänden entlang.
»Das war’s dann wohl! Wie kommt ihr nach Hause?«, fragte ich die drei anderen.
»Wir sind zu Fuß hier, wir brauchen nur durch die Passage zu gehen.«
»Amanda, du kannst bei mir übernachten, ich wohne ja über dem Studio. Ruf bei deiner Familie an und sag ihnen Bescheid. Morgen früh ist es entweder getaut oder gestreut.«
Das schien mir auch die einzige praktikable Lösung zu sein, und als Patrick ans Telefon ging, erntete ich ein fröhliches Kichern mit meiner Ankündigung!
»Klasse, endlich mal die ganze Bude für mich allein. Ulli ist nämlich auch versackt.«
»Patrick, es ist noch Suppe im Kühlschr…«
»Baba, keine Panik. Ich werde weder verhungern noch verdursten,wenn ich mal eine Nacht ohne mütterliche Zuwendung durchstehen muss. Ich füttere Titi und mich selbst. Ins Bett finde ich alleine, und sag jetzt BIT TE NICHT, dass ich mir auch die Zähne putzen soll.«
»Gut, du bist ein selbständiger junger Mann, ich habe verstanden. Morgen früh bin ich wieder da. Schlaf gut, Patrick.«
»Ja, Baba. Und mach dir keine Sorgen, ernsthaft.« Ich ging kopfschüttelnd zurück in den Übungsraum. Patrick hatte ja recht, mit beinahe zwölf Jahren kann man sehr wohl schon mal eine Nacht für sich selbst sorgen.
»Gut, alles geregelt? Dann können wir jetzt ja weitermachen«, sagte Halima und brachte uns mit einem fetzigen Trommelsolo zum Schwitzen.
Diesmal konnte es gar keine Möglichkeit geben, mit Gedanken oder Gefühlen abzuschweifen, geballte Aufmerksamkeit war bei dem verrückten Tempo gefordert, das die Musik von uns verlangte.
»Puh, genug gearbeitet. Jetzt tanzt einfach mal das darauf, was euch so einfällt«, forderte Halima uns auf, als die Stunde vorbei war. Ich fühlte mich ein bisschen ausgelaugt, aber zufrieden mit mir und beschloss, einfach
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