Die Herrin Thu
gerichtet hat, was ich dich lehren wollte.
Aber was ich gar nicht vergessen habe, ist der Abend in meinem Garten, als du so verzweifelt zu mir gekommen bist und wir den Mord am Pharao geplant haben. Da haben wir uns geliebt, nicht zärtlich, wie es hätte sein sollen, sondern gierig und erregt von dem, was wir vorhatten.“ Er hielt inne, und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, geriet er ins Stocken, die Worte fehlten ihm, er war unbeholfen und unsicher. War das gespielt? Ich wußte es nicht. „Du hast dich verändert, Thu, aber ich auch“, fuhr er zögernd fort. „Meine kleinen Pläne sind schon Vorjahren zunichte geworden, haben sich mit der Zeit verflüchtigt. Ägypten hat überlebt, und ich hätte das wissen müssen. Ramses hat auch überlebt und stirbt eines natürlichen Todes, und sein Sohn gibt einen fähigen Pharao ab. Mir ist nichts geblieben als die bittere Erkenntnis, daß ich etwas weggeworfen habe, was mich hätte glücklich machen können.
Ich habe dich gelehrt, nur durch mich zu leben. Ich bin in dein Hirn und dein Herz eingedrungen und habe beides in Besitz genommen, absichtlich und skrupellos, aber dabei habe ich nicht gemerkt, daß auch du mein Herz erobert hast. Als man dich nach Aswat verbannt hatte, habe ich geglaubt, daß ich dich damit aus meinen Gedanken verbannt hätte, daß die ganze elendige Geschichte vorbei wäre und das Denken an dich verblassen würde.“ Er lächelte zerknirscht, und dieses Mal meinte ich, echten Schmerz in seinen Augen zu entdecken. „Darauf habe ich siebzehn Jahre gewartet, darum habe ich gekämpft. Und als Paiis mit deinem Manuskript in der Hand zu mir gekommen ist, habe ich darin die Gelegenheit erblickt, die Vergangenheit endgültig auszulöschen. Wir haben deinen und Kamens Tod beschlossen. Paiis hat auf diese Lösung gedrängt, weil seine Sicherheit bedroht war, aber für mich war es auch die Austreibung eines Quälgeistes. So habe ich mich wieder und wieder getäuscht bis zu dem Abend, als du mich in meinem Schlafzimmer gestellt hast, bis zu dem Abend, als ich in den Palast gelaufen bin und gehofft habe, daß Ramses mich auf der Stelle hinrichten lassen würde. Da habe ich gewußt, daß ich dich nie loswerde, daß ich mich für alle Zeit in meinem eigenen Netz verfangen habe. Da wollte ich nicht mehr leben. Und falls du dich jetzt von mir abwendest, sterbe ich so bereitwillig, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Ich liebe dich.“
„Du versuchst doch nur, dein Leben zu retten“, sagte ich trocken. „Es ist zu spät, um noch von Liebe zu reden, Hui. Du hast immer nur die Selbsterhaltung vergöttert.“
„Auch jetzt noch“, antwortete er aufrichtig. „Aber nicht mehr um jeden Preis. Wir sind zwei vom gleichen Stamm, Thu. Und das war schon immer so. Ich bitte dich nicht darum, dir gleichgestellt zu sein. Laut Erlaß des Pharaos soll ich dir im wahrsten Sinne des Wortes dienen. Du kannst mit mir machen, was du willst.“
O ihr Götter, dachte ich verzweifelt, als wir uns so in dem immer stickiger werdenden, gefälligen kleinen Raum gegenüberstanden. Was soll ich tun?
Und was möchtest du tun? spottete eine Stimme in meinem Inneren. Möchtest du ganze Rache nehmen, Kamen rufen, daß er ihn festnimmt und er erleiden muß, was du bei Paiis gesehen hast? Bei Hunro? Möchtest du, daß er vor dir kriecht und dir jede Laune erfüllt, sich fürchtet, dir nicht zu gehorchen, weil du ihn dann fort und in den Tod schicken kannst? Oder möchtest du ihn frei und freudig lieben, so wie es von Anfang an hätte sein sollen, ehe deine Gier und sein kalter Ehrgeiz alles verdorben haben?
Aber kann es gelingen, daß wir die Vergangenheit mit all ihren Lügen und Schmerzen, mit ihren verderbten Träumen und ihren durchkreuzten Hoffnungen vergessen? liefen meine Gedanken weiter. Sind Liebesbeteuerungen genug, um das Denken an Treulosigkeit und Mißtrauen zu überwinden, das mir jeden Tag meiner Verbannung vergiftet und Nacht für Nacht die Dunkelheit meiner kleinen Hütte erfüllt hat? Wie kann ich die grausamen Erinnerungen beschwichtigen, die so viel zahlreicher sind als die glücklichen und die mir nicht einmal jetzt aus dem Kopf gehen und mein Herz erkalten lassen? Das gliche dem Versuch, wieder Jungfrau zu werden. Erwarte ich zuviel, wenn ich hoffe, daß er zu guter Letzt die Wahrheit sagt? Können wir, auch wenn alles dagegen spricht, lernen, einander zu vertrauen?
Er blickte mich geduldig, gelassen an, diese Mondsichel am helllichten Vormittag, diese
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