Die Herrin von Avalon
Männer wendete sich wieder der bevorstehenden Invasion zu.
»Werden die Römer nach deinen Informationen bald einmarschieren?« fragte der Fürst.
»Ich denke, Constantius hat nicht genug Schiffe, um so viele Männer über den Kanal zu bringen, wie er brauchen wird. Und außerdem muß er neue Kriegsschiffe bauen. Er hat Carausius in Gesoriacum zwar geschlagen, aber unsere Leute haben ihm auch schwer zugesetzt.«
Allectus trank einen Schluck Wein, und sein Blick richtete sich auf Teleri. Bei ihrem Erscheinen war er rot geworden. Bei der Begrüßung verhielt er sich förmlich und eher zurückhaltend.
Er sieht nicht schlecht aus! Durch das regelmäßige Reiten ist seine Haut sogar etwas gebräunt. Und er wirkt älter. Die jugendliche Weichheit ist nicht mehr da , dachte Teleri.
»Was meinst du?« fragte der Fürst. »Werden unsere Leute, wie du es ausgedrückt hast, den Römern auch diesmal ›schwer zusetzen‹?«
»Wenn sich die Truppen vereinigen«, erwiderte Allectus. »Aber auf meinen Reisen höre ich Gerüchte. Unser Volk, ich meine die Männer des alten keltischen Blutes, wachen auf. Es bedeutete viel, wenn wir das römische Joch endgültig abschütteln könnten!« Der Fürst nickte. »Aber einige meinen, wir sollten es nicht dabei belassen und einen König wählen, der kein Fremder ist.« Teleri sah ihren Vater an, der nach einem Apfel griff und ihn nachdenklich schälte.
»Wie sollte ein Großkönig gewählt werden?« fragte der Fürst. »Wenn sich unser Volk hätte einigen können, als Caesar, ich meine den ersten, an unseren Küsten erschien, hätten die Römer hier nie Fuß fassen können. Unser tragischer Fehler war und ist es, daß wir immer mehr daran interessiert sind, uns gegenseitig zu bekämpfen als einen Feind, der von außen kommt.«
»Und wenn wir uns diesmal einigen können? Wenn die Götter ein klares Zeichen geben, das uns den Mann zeigt, den wir zum Großkönig wählen sollen?« fragte Allectus leise.
»Zeichen gibt es viele, und es gibt noch mehr Auslegungen. Wenn es soweit ist, dann muß jeder Führer danach entscheiden, was er sieht ... «
Teleri glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Was war mit Carausius? Hatten sie ihn bereits vergessen? Aber ehe sie eine Frage stellen konnte, wurde das Gespräch wieder allgemeiner.
Es war ein warmer Abend. Nach dem Essen fragte Allectus, ob Teleri mit ihm im Atrium noch etwas spazierengehen würde. Sie nickte. Schweigend gingen sie nebeneinander her. Plötzlich blieb Allectus stehen.
»Teleri, warum hast du ihn verlassen? War er grausam zu dir? Hat er dich verletzt?«
Sie schüttelte traurig den Kopf. Sie hatte mit dieser Frage gerechnet. »Mich verletzt? Nein ... das wäre ihm eine zu große Mühe gewesen. Carausius hat nichts getan. Es ist alles meine Schuld, denn jedesmal, wenn ich ihn anblickte, stand vor mir ein Barbar.«
»Du hast ihn nie geliebt?«
Sie drehte sich um und sah ihn an. »Nein, nie! Aber du hast ihn geliebt, Allectus. Zumindest war er dein Held!« Als er den Kopf schüttelte, fragte sie: »Was erwartest du von mir? Was soll ich sagen?«
»Ich hatte geglaubt, er werde Britannien retten!« rief Allectus. »Aber wir haben nur einen Herrn gegen einen anderen ausgetauscht. Ich war stets nur sein Schatten.
Und ... du«, er zögerte, aber dann brach es wie ein verzweifelter Aufschrei aus ihm heraus: »Du hast ihm gehört ... !«
Sie sah ihn aufmerksam an und fragte ruhig: »War das mit der Wahl eines neuen Großkönigs wirklich dein Ernst oder wolltest du meinen Vater nur auf die Probe stellen?«
Er seufzte. Als er schließlich den Kopf hob, erwiderte er ganz ruhig: »Teleri, ich könnte dieser Großkönig sein. Eine erfolgreiche Regierung braucht viel Geld. Ich sitze an der Quelle. Ich stamme von Fürsten der Belgen ab und auf der Seite meiner Mutter von Silurern. Ich weiß, das ist nicht genug. Aber wenn du mich lieben könntest ... « Sie sah seine Leidenschaft, seine Begeisterung und sein glühendes Herz. »Alle würden mir folgen, wenn du meine Königin wärst!«
Ihre Hände umklammerten das lange Gewand. »Liebst du mich, oder bin ich für dich auch nur der Schlüssel zur Macht?« Allectus wurde totenblaß. »Teleri«, flüsterte er, »weißt du nicht, was ich für dich empfinde? Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, träume ich von dir. Als wir uns begegneten, warst du eine Novizin von Avalon und dann plötzlich die Frau von Carausius ... « Seine Gefühle überwältigten ihn, und er rang nach Worten. »Ich
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