Die Herrin von Avalon
würde dir mein Herz auf einem Silberteller anbieten, wenn du es haben möchtest. Aber noch lieber würde ich dir Britannien zu Füßen legen. Schenke mir deine Liebe, und du wirst nicht Kaiserin, sondern die Großkönigin eines befreiten Britannien sein.«
Nach kurzem Schweigen fragte Teleri tonlos: »Und was wird aus meinem Mann?«
Die leuchtenden Augen wurden plötzlich kalt. »Ich werde mit ihm reden, bis er einverstanden ist ... «
Teleri zögerte. Carausius würde sie vielleicht freigeben, aber sie konnte sich nicht vorstellen, daß er freiwillig auf die Macht verzichten würde.
Allectus fiel vor ihr auf die Knie. Er ergriff ihre Hand, dann drehte er sie liebevoll um und drückte sie sanft an seine Wange.
Er ist so zart und einfühlsam , dachte Teleri. Allectus würde sich in sein Schicksal fügen, wenn sie ihn nicht erhörte. Aber als sie auf den gesenkten Kopf hinunterblickte, empfand sie den zärtlichen Wunsch, ihn zu beschützen. Zum ersten Mal im Leben stellte Teleri fest, daß auch sie Macht besaß. Carausius hatte sie nur benutzt. Dieser Mann brauchte sie wirklich.
Sie strich ihm liebevoll über die Haare. Als er aufsprang, ließ sie sich von ihm umarmen.
Fürst Eiddin Mynoc schickte dem Kaiser einen Boten und ließ ihm ausrichten, seine Reiterei werde Durnovaria an den Iden des Junius verlassen und die Straße in Richtung Londinium nehmen. Er riet seinem Schwiegersohn, einen Offizier nach Sorviodunum zu schicken, der das Kommando übernehmen würde. Dort kreuzte die Hauptstraße aus dem Südwesten die Straßen von Aquae Sulis und Glevum.
Ein paar Tage vor der Sommersonnwende beschloß Carausius, den Truppen des Fürsten persönlich entgegenzureiten. Er wollte nach einer Woche zäher Verhandlungen mit dem Magistrat von Venta an die frische Luft.
Er trug beim Reiten immer noch eine germanische Hose, aber er hatte sich überreden lassen, seine menapianische Leibwache in römische Uniformen zu kleiden. Bei einem kurzen Blick über die Schulter fand er, daß sie wie normale Söldner wirkten, die unterwegs waren, um in einem entfernten Winkel des Reiches Dienst zu tun.
Sie erreichten Sorviodunum, doch die Durotriges waren noch nicht eingetroffen. Es war ein so schöner und sonniger Tag, daß Carausius nicht in der Festung bleiben wollte. Er sehnte sich nach einem Schiff. Es wäre herrliches Wetter zum Segeln gewesen. Aber er würde statt dessen auf der Straße nach Durnovaria auf dem Rücken seines Pferds schaukeln und so tun, als seien es Wellen und nicht das lange Sommergras, das vor ihm sanft im leichten Wind wogte.
Kurz vor Mittag hob einer der Menapier die Hand. Carausius sah eine Staubwolke auf der Straße. In den vergangenen Jahren hatte er gelernt, Reitertrupps schon von weitem zu beurteilen. Er schätzte, daß etwa zwei Dutzend Reiter auf sie zukamen. Sie ritten vermutlich aus Übermut und nicht aus Notwendigkeit in schnellem Galopp. Ein erfahrener Offizier hätte das vermutlich nicht zugelassen. Carausius trieb seinen Hengst in einen leichten Trab, und die Menapier folgten ihm.
Schon von weitem erkannte er Teleris älteren Bruder. Er war kräftig und etwas gedrungen, aber er hatte die gleichen lockigen dunklen Haare wie seine Schwester. Die Reiter machten einen guten Eindruck. Das kostbare Zaumzeug, die bunten Quasten und silbernen Glöckchen gehörten zwar eher zu einer Parade als auf ein Schlachtfeld, doch die jungen Männer wirkten stark und entschlossen.
Nur einer der Reiter saß nicht mit der lockeren Anmut der anderen im Sattel. Carausius legte die Hand über die Augen und erkannte zu seiner Verwunderung Allectus. Der junge Mann trug nicht wie üblich die römische Tunika, sondern ein safrangelbes Wams und darüber einen roten Umhang wie die Fürsten der Belgen, von denen er abstammte.
Offenbar brachte der Kampf gegen Rom sogar einen Mann wie Allectus dazu, daß er sich an seine Wurzeln erinnerte. Carausius mußte unwillkürlich lächeln. Die Durotriges zügelten die Pferde und hielten in einer dichten Staubwolke vor ihm an. Er hob die Hand zum Gruß.
»Mein lieber Allectus, was machst du denn hier? Ich dachte, du seist in Londinium.«
»Dies hier ist mein Land und mein Volk«, erwiderte Allectus. »Deshalb sollte ich auch hier sein.«
Carausius runzelte leicht verunsichert die Stirn, lächelte aber noch immer. »Gewiß, du hast die Durotriges wohlbehalten und in bester Verfassung hierher gebracht.« Sein Unbehagen wuchs, als er sah, daß keiner der Reiter lächelte.
Teleris
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