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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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den Priesterinnen. Doch sie hätte lieber ihre Verachtung ertragen, denn die Nachrichten, die sie trotz der großen Entfernungen erreichten, waren mehr als schlecht. Hengist, der Sachse, beschuldigte Vortigern, die versprochenen Zahlungen nicht geleistet zu haben, und fiel mit Feuer und Schwert über die Städte Britanniens her. In wenigen Monaten waren der ganze Süden und Osten verwüstet. Die Flüchtlinge strömten in das Land im Westen.
    So zahlreich die Sachsen auch waren, so fehlte ihnen doch eine Streitmacht, die groß genug gewesen wäre, um ganz Britannien zu besetzen. Cantium befand sich in der Gewalt von Hengist, die Gebiete der Trinovanten nördlich der Themse waren das Jagdrevier der Jüten, und ihre Verbündeten, die Angeln, hielten das Land der Icener fest im Griff. Überall sonst schlugen die Eroberer überraschend zu und zogen sich ebenso schnell wieder zurück.
    Die Britonen, die aus ihrer Heimat flohen, kehrten nicht wieder zurück, denn wovon sollten sie leben, wenn es keine Märkte gab, auf denen sie ihre landwirtschaftlichen Produkte und ihre Waren verkaufen konnten? Die unterworfenen Länder waren wie eine schwärende Wunde am Leib Britanniens. Die Randzonen wurden gefühllos, noch ehe das Fieber sie erreichte.
    Der äußere Westen blieb davon unberührt. Dort nahm das Leben, wenn man von der Angst absah, weitgehend unverändert seinen Lauf. Die Priesterinnen waren in Avalon von der Welt abgeschnitten, doch es fiel ihnen schwer, sich über ihre Sicherheit zu freuen. Von Zeit zu Zeit entdeckte das kleine Volk in den Marschen verirrte Flüchtlinge, die empfänglicher für geistige Schwingungen waren. Die Christen fanden Zuflucht bei den Mönchen auf ihrer Insel, doch einige der anderen kamen nach Avalon.
    Der Großkönig blieb trotz seiner sächsischen Gemahlin nicht untätig. Die Priesterinnen und Druiden erfuhren, daß Vortigern Londinium gehalten hatte, und daß seine Söhne versuchten, Männer um sich zu scharen und ihr Land zurückzuerobern. Sie forderten die nicht betroffenen Gebiete Britanniens auf, Truppen zur Verfügung zu stellen und ihnen Unterstützung zu gewähren.
    Im Frühling des folgenden Jahres, als Viviane siebzehn geworden war, brachte ein Bote des kleinen Volkes eine andere Neuigkeit durch die Nebel. Ein Sohn des Großkönigs war gekommen, um die Hilfe Avalons zu erbitten.

    Im Haus der Jungfrauen drängten sich die Mädchen eng aneinander. Sie hatten sich in alle vorhandenen Decken gehüllt, denn der Frühling hatte gerade erst begonnen, und es war noch sehr kalt.
    »Hast du ihn gesehen ?« fragte die kleine Mandua leise. Sie war erst im vergangenen Sommer zu ihnen gekommen. »Ist er hübsch?«
    Mandua war jung und frühreif. Viviane glaubte nicht, daß sie lange genug bleiben würde, um zu einer Priesterin geweiht zu werden. Aber sie war selbst noch Novizin, wenn auch nicht die Größte, so doch die Älteste von allen. Von den Mädchen, die sie bei ihrer Ankunft in Avalon angetroffen hatte, war nur ihre Freundin Rowan noch da.
    »Alle Prinzen sind hübsch, so wie alle Prinzessinnen schön sind«, erwiderte Rowan lachend. »Das muß einfach so sein.«
    »War deine Schwester nicht mit dem Prinzen verheiratet?« fragte Claudia, die in Avalon Zuflucht gefunden hatte. Sie kam aus einer guten Familie in Cantium, sprach aber nie darüber.
    Viviane schüttelte den Kopf. »Meine Schwester Idris war die Frau von Caitgern. Das hier ist Vortimer, sein jüngerer Bruder.« Sie hatte bei seiner Ankunft kurz einen Blick auf ihn geworfen. Er hatte so dunkle Haare wie sie, war aber größer und sehr schlank. Trotzdem hatte sie den Eindruck, er sei einfach zu jung für das Schwert, das er trug, bis sie seine Augen sah, die eine erstaunliche Klarheit und ein besonderes Einfühlungsvermögen verrieten.
    Die Wintertür aus Holz am Ende der Halle ging auf, und alle drehten sich um. »Viviane«, hörten sie die Stimme einer älteren Priesterin, »deine Mutter braucht dich. Zieh dein Ritualgewand an.«
    Viviane stand auf und fragte sich, was um alles in der Welt das bedeuten könnte. Fünf lachende Augenpaare sahen zu, wie sie sich widerwillig den Mantel um die Schultern legte, doch keines der Mädchen wagte, auch nur ein Wort zu sagen.
    Werde ich noch Jungfrau sein, wenn ich zurückkomme?
    Sie hatte Geschichten von geheimen Ritualen gehört, die diese Art Opfer forderten. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Aber wenn das von ihr verlangt wurde, dann mußte man sie vorher zur Priesterin

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